Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Görres, Europa und die Revolution. 197 
von der feigen Parthenope hinweggescheucht, nun nach Hellas ziehe um 
dort kämpfend zu sterben. Hoffnungsvoller, kühner, herausfordernder sprach 
die Muse der beiden revolutionären Dichter Englands. Thomas Moore 
sah die Leuchte der Freiheit, die einst von Hellas ausgegangen, strahlend 
wieder heimkehren in ihr Mutterland. Byron begrüßte frohlockend die 
Stiche der spanischen Fliege und der attischen Biene. Lord Erskine, 
Trelawney und viele andere namhafte Whigs wirkten mit Wort und That 
für die griechische Sache, und der abenteuernde Seemann Cochrane, der 
beutegierige Landsknecht der Revolution, der noch in Amerika gegen die 
Spanier focht, entwarf bereits Pläne für einen hellenischen Seekrieg. 
Also trat dem Bunde der Fürsten zwar nicht, wie Moore gehofft, 
ein Bund der Völker entgegen, doch immerhin eine weithin über die Welt 
verzweigte Parteibewegung, mächtig genug um weitaus die meisten euro— 
päischen Zeitungen zu beherrschen und den Namen der Heiligen Allianz, 
der nun einmal für die Thaten der Ostmächte herhalten mußte, dem 
allgemeinen Abscheu preiszugeben. Ein treues Bild der unklaren Erregung 
der Zeit gab die neue Schrift von Görres „Europa und die Revolution“, 
das verworrenste zugleich und das radicalste seiner Bücher. Gleich zu 
Eingang stand die düstere Mahnung: die cumäische Sibylle habe schon acht 
von ihren neun Büchern vor den Augen der zaudernden Machthaber in 
die Flammen geworfen; nicht lange mehr, und sie nahe noch einmal mit 
ihrem letzten Kleinod, dem Frieden! So ging es weiter unter beständigen 
Weissagungen eines Gräßlichen, was da kommen werde, eines furchtbaren 
Zusammenstoßes zwischen der alten Ordnung des Ostens und der neuen 
des freien Westeuropas. Zuletzt blieb den Lesern aus der Fülle apoka— 
lyptischer Bilder nur der eine Eindruck, daß der alte Welttheil faul sei 
bis ins Mark und in Deutschland insonderheit „Alles unheilbar ver— 
schoben und verrückt“. 
Der Zusammenbruch der italienischen Revolution hatte die liberale 
Welt wohl erschreckt, doch ihren Mißmuth nur gesteigert. Je länger das 
kleine Griechenvolk in seinem tapferen Widerstande ausharrte, um so 
zuversichtlicher ward die Hoffnung, daß die Politik des Wiener Hofes 
dort im Osten ihre erste schwere Niederlage finden müsse. — 
 
	        
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