Görres, Europa und die Revolution. 197
von der feigen Parthenope hinweggescheucht, nun nach Hellas ziehe um
dort kämpfend zu sterben. Hoffnungsvoller, kühner, herausfordernder sprach
die Muse der beiden revolutionären Dichter Englands. Thomas Moore
sah die Leuchte der Freiheit, die einst von Hellas ausgegangen, strahlend
wieder heimkehren in ihr Mutterland. Byron begrüßte frohlockend die
Stiche der spanischen Fliege und der attischen Biene. Lord Erskine,
Trelawney und viele andere namhafte Whigs wirkten mit Wort und That
für die griechische Sache, und der abenteuernde Seemann Cochrane, der
beutegierige Landsknecht der Revolution, der noch in Amerika gegen die
Spanier focht, entwarf bereits Pläne für einen hellenischen Seekrieg.
Also trat dem Bunde der Fürsten zwar nicht, wie Moore gehofft,
ein Bund der Völker entgegen, doch immerhin eine weithin über die Welt
verzweigte Parteibewegung, mächtig genug um weitaus die meisten euro—
päischen Zeitungen zu beherrschen und den Namen der Heiligen Allianz,
der nun einmal für die Thaten der Ostmächte herhalten mußte, dem
allgemeinen Abscheu preiszugeben. Ein treues Bild der unklaren Erregung
der Zeit gab die neue Schrift von Görres „Europa und die Revolution“,
das verworrenste zugleich und das radicalste seiner Bücher. Gleich zu
Eingang stand die düstere Mahnung: die cumäische Sibylle habe schon acht
von ihren neun Büchern vor den Augen der zaudernden Machthaber in
die Flammen geworfen; nicht lange mehr, und sie nahe noch einmal mit
ihrem letzten Kleinod, dem Frieden! So ging es weiter unter beständigen
Weissagungen eines Gräßlichen, was da kommen werde, eines furchtbaren
Zusammenstoßes zwischen der alten Ordnung des Ostens und der neuen
des freien Westeuropas. Zuletzt blieb den Lesern aus der Fülle apoka—
lyptischer Bilder nur der eine Eindruck, daß der alte Welttheil faul sei
bis ins Mark und in Deutschland insonderheit „Alles unheilbar ver—
schoben und verrückt“.
Der Zusammenbruch der italienischen Revolution hatte die liberale
Welt wohl erschreckt, doch ihren Mißmuth nur gesteigert. Je länger das
kleine Griechenvolk in seinem tapferen Widerstande ausharrte, um so
zuversichtlicher ward die Hoffnung, daß die Politik des Wiener Hofes
dort im Osten ihre erste schwere Niederlage finden müsse. —