Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

14 III. 1. Die Wiener Conferenzen. 
Thatsachen beugte. Dahin war der Deutsche Bund in kurzen fünf Jahren 
gelangt: jede noch so bescheidene Verbesserung seines Grundgesetzes konnte 
nur durch die Umgehung und Demüthigung seiner höchsten Behörde er- 
reicht werden. — 
Die sogenannte Schlußakte, welche nunmehr auf Metternich's Antrag 
aus den gefaßten Beschlüssen zusammengestellt wurde, enthielt in den 34 
Artikeln ihres ersten Theils ausführliche Vorschriften über Wesen und 
Wirkungskreis des Bundes. Fast jeder Satz dieser allgemeinen Bestim- 
mungen war ein Triumph des Particularismus. In der ersten Sitzung 
nannte Metternich den Bundestag noch die oberste gesetzgebende Behörde des 
Bundes und versprach, die Souveränität jedes einzelnen Staates solle 
„nur insofern beschränkt werden, als es der Zweck der Einheit Deutsch- 
lands erfordere". Da legte Zentner sogleich Verwahrung ein: das Wort 
„deutsche Einheit“ gebe Anlaß zu Mißverständnissen, eine oberste gesetzgebende 
Gewalt sei in einem Bunde unmöglich — worauf denn Metternich als- 
bald einlenkte und begütigend erwiderte, natürlich habe er nur an eine 
vertragsmäßige Gesetzgebung gedacht. Den also angeschlagenen Ton hielt 
die Mehrheit auch im weiteren Verlaufe der Verhandlungen ein; die 
Schlußakte erklärte den Deutschen Bund für einen völkerrechtlichen Verein, 
eine Gemeinschaft unabhängiger Staaten mit wechselseitigen gleichen Ver- 
tragsrechten — eine Fassung, welche dem württembergischen Hofe sogar 
noch allzu unitarisch vorkam. Dem redlichen Fritsch ward doch zuweilen 
schwül ums Herz, da er das deutsche Gemeinwesen sich dergestalt in ein 
lockeres Vertragsverhältniß verflüchtigen sah; so suche man Deutschland 
zu entnationalisiren, schrieb er klagend, diese souveränen selbständigen 
Staaten würden ihre Unterthanen noch so unglücklich machen, „daß der 
Ruf nach Einheit zur Volksstimme und zur Volksrevolution wird“. Trotz- 
dem schloß sich der Gesandte der Ernestiner zuletzt unbedenklich den Be- 
schlüssen der Mehrheit an. Auch Bernstorff trat der particularistischen 
Auslegung des Bundesrechts nicht entgegen, da sie unleugbar den Worten 
und dem Sinne der Bundesakte entsprach. Ihm genügte, daß sich unter 
diesen doktrinären allgemeinen Sätzen doch eine praktisch werthvolle Be- 
stimmung befand: der Art. 6 gestattete die Abtretung von Souveränitäts- 
rechten zu Gunsten eines Mitverbündeten, und damit erhielt Preußen, 
ohne daß die Mehrheit es gewahr ward, freie Hand für seine Zoll- 
anschluß-Verträge. 
Der Bundestag sollte den Bund „in seiner Gesammtheit vorstellen“ 
seine Mitglieder blieben von ihren Souveränen „unbedingt abhängig“, 
ihnen allein für die Befolgung ihrer Instruktionen sowie für ihre Ge- 
schäftsführung verantwortlich (Art. 8). Durch diese Vorschrift dachte man 
zugleich jedem eigenmächtigen Verfahren der Bundesgesandten vorzubeugen 
und den Landtagen jeden Eingriff in die Bundesverhandlungen zu unter- 
sagen. Hier zeigte sich aber, wie wenig ein Diplomatencongreß schweren
	        
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