Die militärisch-politischen Fragen. 17
immerhin betrachtete er es als einen Gewinn, daß jenes von Haus aus
parteiische Bundesgericht nicht zu Stande gekommen war.“*)
Auch die neue Executionsordnung, welche fortan statt der Karlsbader
provisorischen Vorschriften galt, war in demselben Geiste particularistischer
Behutsamkeit gehalten. Der Regel nach sollte der Bundestag nur mit
den Regierungen verkehren und nur gegen sie Execution verhängen; nur
wenn eine Bundesregierung selber seine Hilfe nachsuchte oder im Falle
offenen Aufruhrs durfte er unmittelbar gegen die Unterthanen ein—
schreiten. —
Bei allen diesen Berathungen war Bernstorff mit Zentner Hand in
Hand gegangen. Ganz anders gestaltete sich der Parteikampf bei dem
zweiten Theile der Schlußakte, der in achtzehn Artikeln (Art. 35—52)
über die auswärtige Politik und das Heerwesen des Bundes Vorschriften
gab. In diesen „militärisch-politischen Fragen“ vertrat Preußen jetzt wie
immer die Sache der Bundeseinheit; wirksamer Schutz gegen das Aus-
land blieb nach Hardenberg's Ansicht der einzige Segen, welchen die im
Innern so unfruchtbare Bundespolitik der Nation noch zu gewähren ver-
mochte. König Friedrich Wilhelm konnte es noch immer nicht verwinden,
daß er den Eintritt Posens und Altpreußens in den Bund nicht hatte
durchsetzen können. Um so ernstlicher wünschte er jetzt ein ewiges Ver-
theidigungsbündniß zwischen dem Deutschen Bunde und den Gesammt-
staaten Oesterreich und Preußen abzuschließen; vermöge man dies nicht zu
erlangen, so verlangte er zum mindesten eine bündige Antwort auf die
noch immer offene Frage: was eigentlich ein Bundeskrieg sei? Wenn
eine der beiden Großmächte in ihren nichtdeutschen Provinzen angegriffen
würde, dann müsse der Bund befugt sein durch einfachen Mehrheits-
beschluß den Krieg zu erklären, und käme ein solcher Beschluß nicht zu
Stande, so dürfe doch den Staaten der Minderheit nicht verwehrt werden
ihrerseits dem Angegriffenen Hilfe zu leisten. Der König dachte dabei
zunächst an seine eigene ungesicherte Ostgrenze, aber auch an das öster-
reichische Italien; denn darüber war er mit dem Staatskanzler einig,
daß jeder Angriff auf Oesterreich auch seinen Staat bedrohe. Seine Ab-
sichten fanden indeß auf allen Seiten heftigen Widerstand. Die Mittel-
staaten trugen schon ihre Bundespflicht nur widerwillig und spürten keine
Neigung die Last noch zu vermehren. Sogar Zentner zeigte sich diesmal
spröde, fast feindselig; sein Benehmen verrieth, daß der Münchener Hof
sich im Stillen vorbehielt, unter Umständen als Haupt eines rein-deut-
schen Bundes die Politik der bewaffneten Neutralität zu führen.) Auch
das Ausland gerieth in Bewegung. Die fremden Gesandten am Bundes-
tage schilderten allesammt ihren Höfen in aufgeregten Berichten die drohende
Gefahr eines großen mitteleuropäischen Völkerbundes; das Petersburger
*) Bernstorff an Goltz, 25. März 1820. *“) Bernstorff's Bericht, 29. Jan. 1820.
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. 11I. 2