Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

20 III. 1. Die Wiener Conferenzen. 
zu einem gemeinsamen Trauerfalle für das civilisirte Europa.““) Gleich 
darauf ward in London eine unheimliche Verschwörung entdeckt, der Auf- 
ruhr überfluthete ganz Spanien, riß auch Portugal in seine Wirbel hin- 
ein. An allen Ecken und Enden erhob die Revolution wieder ihr Haupt; 
um so fester stand in Wien der Entschluß, der Mitte Europa's die Ruhe 
zu bewahren. Die Conservativen aller Länder richteten ihre hoffenden 
Blicke auf die Versammlung der deutschen Staatsmänner; „die Wiener 
Conferenzen sind der Anker der Rettung," sagte Richelieu zu einem Be- 
vollmächtigten des Kaisers Franz, „an sie wird sich mit Gottes Hilfe die 
Erhaltung der socialen Ordnung anschließen.“) 
Trotzdem bewahrte auch die Verhandlung über die Landstände das 
Gepräge jener vermittelnden Bedachtsamkeit, welche die Wiener Berathun- 
gen durchweg auszeichnete. Nur die beiden Ultras Berstett und Mar- 
schall verlangten eine umfassende Auslegung des Art. 13 im Sinne des 
Absolutismus.“) Bernstorff dagegen gab zu erwägen, daß mehrere der 
deutschen Fürsten bereits durch feierliche Verpflichtungen gebunden seien; 
Zentner wies jede Aenderung der bairischen Verfassung von vornherein 
zurück; auch der König von Dänemark, der schon längst die altständischen 
Institutionen Schleswigholsteins zu beseitigen hoffte, ließ sofort erklären, 
als souveräner Fürst halte er sich berechtigt die Form seiner Landstände 
selber zu bestimmen. So geschah es, daß Metternich auf seine Karlsbader 
Stände-Doktrin nicht zurückzukommen wagte. „Wir erneuern hier nicht," 
so tröstete er einen Vertrauten, „wir bauen auf, nous ne revenons pas 
sur nos pas.“ An Rechberg schrieb er schon im Jannar: es sei unmög- 
lich, die Formen wieder umzustoßen, welche unglücklicherweise in den letzten 
drei Jahren nach Deutschland verpflanzt worden; so möge denn — meinte 
er mit einem Humor, der die üble Laune kaum verbarg — Württemberg 
zur Strafe seine Verfassung behalten! 
Die Versammlung fühlte, daß man die Nation mindestens über die 
ehrliche Erfüllung des Art. 13 endlich beruhigen müsse. Daher beantragte 
Preußen, der Bund solle eine allgemeine Gewährleistung für die land- 
ständischen Verfassungen übernehmen. Berstett aber widersprach; der eifrige 
Centralist fand diesmal die Erweiterung der Bundesgewalt bedenklich, 
weil sie den Rechten der Nation zu gute kommen sollte. Da auch die 
meisten anderen Höfe die Mediatisirung der Nation streng aufrecht halten, 
jede unmittelbare Berührung zwischen dem Bunde und ihren Unterthanen 
sorgsam verhindern wollten, so begnügte man sich mit der unbestimmten Vor- 
schrift (Art. 54): der Bundestag habe darüber zu wachen, daß der Art. 13 
in keinem Bundesstaate unerfüllt bleibe; indeß ward jedem Bundesgliede 
*) Reinhard, Note an den Bundespräsidialgesandten, 18. Febr., Antwort des 
Bundestags, 19. Febr. 1820. 
*") Krusemark's Bericht, 27. März 1820. ***) Bernstorff's Bericht, 25. Dec. 1819.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.