20 III. 1. Die Wiener Conferenzen.
zu einem gemeinsamen Trauerfalle für das civilisirte Europa.““) Gleich
darauf ward in London eine unheimliche Verschwörung entdeckt, der Auf-
ruhr überfluthete ganz Spanien, riß auch Portugal in seine Wirbel hin-
ein. An allen Ecken und Enden erhob die Revolution wieder ihr Haupt;
um so fester stand in Wien der Entschluß, der Mitte Europa's die Ruhe
zu bewahren. Die Conservativen aller Länder richteten ihre hoffenden
Blicke auf die Versammlung der deutschen Staatsmänner; „die Wiener
Conferenzen sind der Anker der Rettung," sagte Richelieu zu einem Be-
vollmächtigten des Kaisers Franz, „an sie wird sich mit Gottes Hilfe die
Erhaltung der socialen Ordnung anschließen.“)
Trotzdem bewahrte auch die Verhandlung über die Landstände das
Gepräge jener vermittelnden Bedachtsamkeit, welche die Wiener Berathun-
gen durchweg auszeichnete. Nur die beiden Ultras Berstett und Mar-
schall verlangten eine umfassende Auslegung des Art. 13 im Sinne des
Absolutismus.“) Bernstorff dagegen gab zu erwägen, daß mehrere der
deutschen Fürsten bereits durch feierliche Verpflichtungen gebunden seien;
Zentner wies jede Aenderung der bairischen Verfassung von vornherein
zurück; auch der König von Dänemark, der schon längst die altständischen
Institutionen Schleswigholsteins zu beseitigen hoffte, ließ sofort erklären,
als souveräner Fürst halte er sich berechtigt die Form seiner Landstände
selber zu bestimmen. So geschah es, daß Metternich auf seine Karlsbader
Stände-Doktrin nicht zurückzukommen wagte. „Wir erneuern hier nicht,"
so tröstete er einen Vertrauten, „wir bauen auf, nous ne revenons pas
sur nos pas.“ An Rechberg schrieb er schon im Jannar: es sei unmög-
lich, die Formen wieder umzustoßen, welche unglücklicherweise in den letzten
drei Jahren nach Deutschland verpflanzt worden; so möge denn — meinte
er mit einem Humor, der die üble Laune kaum verbarg — Württemberg
zur Strafe seine Verfassung behalten!
Die Versammlung fühlte, daß man die Nation mindestens über die
ehrliche Erfüllung des Art. 13 endlich beruhigen müsse. Daher beantragte
Preußen, der Bund solle eine allgemeine Gewährleistung für die land-
ständischen Verfassungen übernehmen. Berstett aber widersprach; der eifrige
Centralist fand diesmal die Erweiterung der Bundesgewalt bedenklich,
weil sie den Rechten der Nation zu gute kommen sollte. Da auch die
meisten anderen Höfe die Mediatisirung der Nation streng aufrecht halten,
jede unmittelbare Berührung zwischen dem Bunde und ihren Unterthanen
sorgsam verhindern wollten, so begnügte man sich mit der unbestimmten Vor-
schrift (Art. 54): der Bundestag habe darüber zu wachen, daß der Art. 13
in keinem Bundesstaate unerfüllt bleibe; indeß ward jedem Bundesgliede
*) Reinhard, Note an den Bundespräsidialgesandten, 18. Febr., Antwort des
Bundestags, 19. Febr. 1820.
*") Krusemark's Bericht, 27. März 1820. ***) Bernstorff's Bericht, 25. Dec. 1819.