Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Einrichtung der Oberrheinischen Kirchenprovinz. 301 
Abschluß: auch die oberrheinischen Domcapitel wurden, wie die preußischen, 
vom Papste angewiesen, nur Männer, welche dem Landesherrn genehm 
seien, zu wählen. 
Nunmehr verständigte man sich leicht über die Personen der ersten 
Bischöfe; die verbündeten Regierungen gingen dabei von der Ansicht aus, 
daß weichmüthige Naturen, die nach keiner Seite hin Anstoß gäben, den 
Vorzug verdienten. Der gefährliche Grundsatz genügte für den Augenblick, 
späterhin sollte man freilich erfahren, daß in Zeiten des Kampfes grade 
schwache Charaktere leicht aus Angst zu pfäffischen Eiferern werden. Erster 
Erzbischof von Freiburg wurde Bernhard Boll, ein sanfter, versöhnlicher 
wohlwollender Kirchenfürst. Sobald diese Ernennung entschieden war (1827), 
legte Wessenberg das Verweseramt nieder, das er zehn Jahre lang gegen 
den Willen des Papstes geführt, und nahm von seiner Herde Abschied in 
einem ergreifend schönen, apostolisch milden Schreiben: er mahnte sie die 
Zeichen der Zeit nicht zu verkennen und warnte vor der alten Sünde 
der Menschen, die, „nachdem das Licht in die Welt gekommen, dennoch die 
Finsterniß mehr lieben als das Licht“. Die Curie hatte ihn nur darum 
so lange unbehelligt gelassen, weil sie voraussah, daß er bei der Neu- 
ordnung seiner Diöcese unfehlbar stürzen mußte. Er unterlag dem tragischen 
Geschick aller jener wohlmeinenden Halbdenker, welche nicht zu begreifen 
vermögen, daß evangelische Freiheit auf dem Boden der römischen Kirche 
unmöglich ist und nur der Ketzer den Papst siegreich bekämpfen kann. 
Unbeschreiblich geliebt und verehrt hat er dann noch lange Jahre daheim 
am Bodensee und im Breisgau gelebt, ein Wohlthäter der Armen, un- 
ermüdlich als Schriftsteller und Sammler, in der badischen Kammer ein 
tapferer Vertreter des gemäßigten Liberalismus. Für die katholische Kirche 
war er todt. Mit ihm schied der letzte Vertreter jenes alten Episcopal- 
systems, das nur in dem festen Erdreich des nationalen Staatslebens 
Wurzeln schlagen kann, aber in dem lockeren Geröll des Deutschen Bundes 
keine Stätte fand. 
Mittlerweile beriethen sich die fünf Höfe von Neuem über die gemein- 
same Wahrung ihrer Kirchenhoheitsrechte. Wie Napoleon seinem Con- 
cordate die Organischen Artikel, Baiern dem seinigen das Religionsedikt 
hatte folgen lassen, so dachten sie die beiden oberrheinischen Bullen durch 
eine selbständige Kirchenpragmatik zu ergänzen. Nach langwierigen Ver- 
handlungen, bei denen der badische Geistliche Rath Burg den allezeit dienst- 
willigen Vermittler spielte, wurde am 30. Januar 1830 die Verordnung 
über das landesherrliche Schutz= und Aufsichtsrecht veröffentlicht. Sie ent- 
sprach im Wesentlichen den älteren Entwürfen, wahrte den Kronen das 
Placet, unterwarf die Erziehung der Geistlichkeit strenger Ueberwachung 
und bekundete das polizeiliche Mißtrauen gegen die Kirche so unverhohlen, 
daß der Papst sich sogleich dawider verwahrte. Gleichwohl blieb das Ver- 
hältniß zwischen Staat und Kirche in diesen ersten Jahren noch fast
	        
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