470 III. 6. Preußische Zustände nach Hardenberg's Tod.
Navigationsakte brach allmählich zusammen. Zum ersten male seit der
Herstellung des Weltfriedens war ein wirksamer Schlag gefallen wider
das alte Bollwerk der britischen Seeherrschaft. Jahrzehnte vergingen,
ohne daß, wie vordem so oft, britische Breitseiten donnerten für die Ver—
theidigung von Handelsvorrechten. England suchte fortan was in Europa
verloren war durch die Ausbreitung seines transatlantischen Handelsgebietes
einzubringen. Jener Sieg der freien handelspolitischen Ideen, worauf die
Urheber des preußischen Zollgesetzes gehofft, fing an, sehr langsam freilich,
ins Leben zu treten. In den Parlamentsdebatten der nächsten Jahre ver-
wiesen die Freihändler gern auf die preußischen und französischen Einfuhr=
tabellen, um den Segen der Freiheit, die lähmende Wirkung des Zwanges
zu zeigen, und Huskisson erklärte: ich hoffe, der Tag wird kommen, da der
Tarif dieses Landes ebenso frei sein wird wie der preußische.
Weit schwerer hielt es mit der holländischen Handelspolitik sich zu
verständigen. Das der Wiener Congreßakte beigelegte Rheinschifffahrts-
reglement bestimmte in unzweideutigen Worten, daß die Schifffahrt zwischen
Basel und den Mündungen des Stromes allein den vertragsmäßigen
Schifffahrtsabgaben unterliegen solle; selbst ein Krieg zwischen den Rhein-
uferstaaten dürfte daran nichts ändern. Doch schamloser ward niemals
ein Vertrag gebrochen. Selbst nach allen den Proben gehässiger Habgier,
welche Hollands Krämerpolitik in vergangenen Jahrhunderten ihren
Nachbarn gegeben, gerieth die deutsche Welt doch in Verwunderung, als
dieser durch unser Blut wiederhergestellte Staat alsbald an seinen Rhein-
armen, die unter Napoleon frei gewesen, mehrere Zollstellen errichtete, die
durchgehenden Waaren mit Durchfuhrzöllen belegte, einzelne Waarenklassen
sogar gänzlich verbot, so daß die Transportkosten auf der niederländischen
Stromstrecke sich ungefähr dreizehnmal höher stellten als auf einer
preußischen Strecke von gleicher Länge. Die Feder, die den Vertrag unter-
zeichnet, war noch kaum trocken. Schon auf der ersten Conferenz der
Rheinuferstaaten, die im Jahre 1816 zu Mainz zusammentrat, zeigte
Holland den bösesten Willen; durch seine Schuld blieben diese Rhein-
schifffahrtsconferenzen viele Jahre hindurch ebenso unfruchtbar wie weiland
die Schifffahrts-Kapitel der vier rheinischen Kurfürsten.
Mit vollendeter Frivolität erklärte das Haager Cabinet: unter dem
Rhein sei offenbar nur der alte Rhein zu verstehen, jener versandete Fluß-
arm, der bei Leyden und Katwyk mühselig die See erreicht; die Schifffahrt
auf den großen Mündungen des Stromes unterliege den Seezöllen; man
frage nur bei Hannover an, das ja auch seinen Stader Seezoll erhebe;
und wo stehe denn geschrieben, daß der Rhein frei sei jusque dans la
menr? — nur jusqufä la mer sage der Pariser Friedensvertrag. Die
Mahnungen des Veroneser Congresses blieben fruchtlos; auf eine Vor-
stellung des englischen Cabinets verweigerte man im Haag jede Erklärung.
Als Oesterreich den König der Niederlande an die Wohlthaten erinnerte,