Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Preußens deutsche Handelspolitik. 483 
weil man ihn für hoffnungslos hielt. Dagegen wurde wiederholt und 
ernstlich die Frage erwogen: unter welchen Bedingungen Preußen mit 
größeren Nachbarstaaten einen Zollbund abschließen könne? Klewitz beant— 
wortete sie in einem Gutachten vom 27. Juni 1822 dahin: Nur unter 
drei Bedingungen können wir die Nachbarstaaten in unseren Verband 
aufnehmen. Wir müssen fordern: „Annahme unserer Branntweinsteuer 
und einer angemessenen Biersteuer,“ nur dann wird der Verkehr aller 
Schranken ledig. Ferner „ein sehr überwiegendes Vorrecht für Preußen 
bei Bestimmung der Ein-, Aus- und Durchgangsabgaben“. Endlich „die 
Douanenlinie in jenen Ländern muß ganz von uns abhängen,“ da die 
bisherige Zollverwaltung der Nachbarstaaten keine Bürgschaft giebt für 
die gewissenhafte Ausführung der Gesetze.“) Begreiflich genug, daß ein 
preußischer Minister für seinen Staat eine solche handelspolitische Hege— 
monie wünschte. Bald aber erkannte man in Berlin, wie wenig die Mittel— 
staaten gesonnen waren, eine „fremde“ Verwaltung in ihren Ländern zu 
ertragen, und stimmte daher seine Ansprüche herab. 
Im Jahre 1824 verhandelten die drei Ministerien des Auswärtigen, 
des Handels und der Finanzen nochmals über die Frage „wie sich Preußen 
bei den Zollvereinsunternehmungen zu verhalten habe“. Geh. Rath Sotz— 
mann, der Sohn des bekannten Geographen, eines der ersten Talente der 
Finanzverwaltung, und H. v. Bülow faßten das Ergebniß der Berathung 
in einer großen Denkschrift zusammen, welche schon mehrere Hauptgrund— 
sätze der späteren Zollvereinsverfassung aufstellte.“) Sie erklärten: der 
Anschluß an Preußen könne auf zwei Wegen erfolgen — entweder durch 
vollständige Unterwerfung, wie sie in Bernburg geschehen sei, oder durch 
eine freiere Verbindung. Einem größeren Staate dürfe nur die letztere 
zugemuthet werden; doch müsse er jedenfalls seine Zölle und Consumtions= 
steuern den preußischen gleichstellen. Der Unterschied von „Zollanschluß"“ 
und „Zollverein“ war also schon damals den preußischen Staatsmännern 
geläufig, wenngleich sie die modernen Schulausdrücke noch nicht gebrauchen. 
Da der Beitritt etwa von Kurhessen „nur so viel Zuwachs bringt als 
ein einziger unserer Regierungsbezirke ausmacht“, so kann der Berliner 
Hof die Entwickelung seines Zollwesens von der Zustimmung eines solchen 
Bundesgenossen nicht unbedingt abhängig machen. Daher soll Preußen 
sich nur auf eine Reihe von Jahren binden, um bei Ablauf der Frist 
über Aenderungen und Zusätze sich von Neuem zu vereinbaren. Man 
verzichtet mithin auf jedes Vorrecht, erkennt die volle Gleichberechtigung 
des kleinen Bundesgenossen an und behält sich nur das Recht der Kün- 
digung vor, als unentbehrliches Gegengewicht. Jeder der beiden Staaten 
ernennt seine Zollbeamten selbst, doch werden sie beiden Regierungen ver- 
  
*7) Denkschrift des Finanzministeriums vom 27. Juni 1822. 
**) H. v. Bülow und Sotzmann, Promemoria vom 28. Dec. 1824. 
31“
	        
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