56 III. 1. Die Wiener Conferenzen.
gehören ihrer neunzehn den fremden Mächten Oesterreich, Preußen, Eng-
land, Dänemark, Holland; seine besten Häfen sind in der Hand der nor-
dischen Barbaresken, der Hanseaten, ein hors d'oeuyre am deutschen
Körper, die Beute einer Kaufmannskaste, die in Englands Solde steht.
Den rein deutschen Staaten bleibt mithin nur eine Rettung: sie müssen sich
losreißen von den Fremden und unter sich den freien Bund selbständiger
Stämme, der Deutschlands ursprüngliche Verfassung war, erneuern. Die
Führung des Bundes gebührt den Baiern und den Alemannen, den beiden
Kernstämmen, die sich soeben unter ihren neuen Königskronen wieder zu-
sammengefunden haben. Die großen Staatsmänner des Südens erkannten
zuerst, daß Deutschlands Wiedergeburt nur durch Frankreichs Hilfe mög-
lich war, aus Liebe zu Deutschland wurden sie Frankreichs Freunde; als
die Krieger Württembergs und Baierns vereint mit den Franzosen un-
sterbliche Siege erfochten, dienten sie dem Geiste des Jahrhunderts und
sicherten die Unabhängigkeit des Vaterlandes für immer, darum tragen
sie noch mit Stolz das Kreuz der Ehrenlegion. So ist auch heute wieder
Württemberg „das Asyl deutscher Freiheit und Selbständigkeit“ geworden,
sein König gab das große, unsterbliche Beispiel einer vertragsmäßigen Ver-
fassung; die beiden Könige des Südens haben das von Gott eingesetzte
demokratische Princip anerkannt, in Karlsbad und Wien die deutsche Frei-
heit beschützt, Deutschland huldigt ihnen als den Garanten seiner National-
Unabhängigkeit. Zwischen den Zeilen ward darauf noch die Hoffnung
ausgesprochen, Preußen möge seine westlichen Provinzen an den König
von Sachsen abtreten, dann erst werde der Bund des reinen Deutsch-
lands seinen natürlichen Beruf erfüllen, als ein „Zwischenstaat“ das
Gleichgewicht zwischen Frankreich, Preußen und Oesterreich wahren.
So lange der Deutsche Bund bestand, war ein so dreister Angriff
gegen die Grundlagen des Bundesrechts noch nie gewagt worden. Der
Anwalt der deutschen Trias ging der kaum geschaffenen neuen Verfassung
Deutschlands ebenso feindselig zu Leibe wie einst Hippolithus a Lapide
dem altersschwachen heiligen Reiche. Von dem Gedankenreichthum, von
dem hinreißenden rhetorischen Ungethüm jenes leidenschaftlichen Vorkämpfers
der schwedisch -französischen Partei besaß der gewandte Epigone freilich
gar nichts; aber in der Willkür seiner Geschichtsconstruktionen, in der
Gewissenlosigkeit seiner Staatsraison that er es dem alten Publicisten
gleich. Der ganze ekle Bodensatz der Fremdherrschaft trat in dem „Manu-
scripte“ wieder zu Tage; Alles darin war bonapartistisch, der Grund-
gedanke der troisieme Allemagne so gut wie die demokratischen Schlag-
worte, die Ausfälle auf die Hansestädte und der Vorschlag, Preußen in
den Osten zu schieben. Fast mit den nämlichen Worten hatte Dalberg
einst den Rheinbund verherrlicht, und anders als durch Frankreichs Hilfe
konnte offenbar auch dieser neue Bund des reinen Deutschlands niemals
ins Leben treten.