Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Schloßbrand in Braunschweig. 101 
Steinen folgte dem davoneilenden Wagen. Vor dem Schlosse stand eine 
Schar von Gaffern und Schreiern. Ein Offizier fragte: „Kinder, was 
wollt ihr denn eigentlich?“ Die Leute sahen sich verwundert an, bis 
endlich ein liberaler Advokat das neue Pariser Feldgeschrei anstimmte: 
„Brot und Arbeit!“ und einige wohlgenährte Schüler des Carolinums 
den Jammerruf wiederholten. Zwei Züge Husaren vertrieben dann 
ohne Kampf die Menge von dem Bohlwege, gegenüber dem Schlosse. 
Am nächsten Morgen wurden die Kanonen und das Pulver hin- 
weggeschafft. Auf die Bitten der Bürger versprach der Herzog auch einen 
kleinen Steuererlaß, sowie einige Geldsummen für Straßenbauten und 
Lebensmittel; er gestattete sogar, daß eine mit Piken bewaffnete Bürger- 
wehr zusammentrat, nur von der Berufung des Landtags wollte er nichts 
hören. Am Abend stürmte wieder ein Pöbelhaufe gegen das Schloß 
heran, berauscht und heulend, höchstens tausend Köpfe stark; die Piken- 
männer der Bürgerwehr wurden bald zur Seite gedrängt. Der Herzog 
aber wagte nicht, seine im Schloßhofe versammelten Truppen feuern zu 
lassen; er ergriff nochmals die Flucht und ließ sich von seinen Husaren 
zur Landesgrenze geleiten, um dann nach England zu reisen. Mittler- 
weile drang der Pöbel in das Schloß ein und begann Feuer anzulegen; 
während die Strolche plünderten, sah man einige offenbar verkleidete 
Männer geschäftig die geheimen Papiere des Herzogs durchsuchen. Der 
kommandierende Generalvon Herzberg, ein tapferer Veteran aus Wellingtons 
spanischen Feldzügen, versäumte seine Soldatenpflicht, stundenlang ließ er 
die Truppen ruhig im Schloßgarten stehen. Eine einzige ohne seinen 
Befehl abgegebene Salve, die unschädlich über die Köpfe des Haufens 
hinwegfuhr, genügte, um den Hof zu säubern und selbst die Räuber aus 
dem Schlosse zu verjagen; aber als die Truppen dann wieder unbeweglich 
blieben, wagte sich der Pöbel nochmals vor und begann sein Werk von 
neuem. Die ganze Nacht hindurch währte die rohe Verwüstung, kein 
Menschenleben fiel ihr zum Opfer; die Spritzen ließ der Haufe nicht 
an das Schloß heran, und als die Grenadiere noch einen schwachen An- 
griff auf den Meuterer unternahmen, versuchten sie nicht, ihren leichten 
Sieg zu verfolgen. Beim Grauen des Tages lag das schöne Bauwerk 
fast ganz in Asche. 
Unverkennbar standen mehrere Männer aus dem Adel und dem 
Beamtentum hinter diesem seltsamen unblutigen Aufruhr; gedungene 
Banden und wüstes Gesindel besorgten die Arbeit, die erbitterte Bürger- 
schaft sah halb schadenfroh, halb erschrocken der Zerstörung zu. Die 
Namen der Verschwörer sind, obgleich einige Vermutungen sehr nahe 
liegen, bis zum heutigen Tage verborgen geblieben, da die gerichtliche Unter- 
  
*) Nach der mündlichen Erzählung eines der mitschreienden Schüler, der in 
späteren Jahren ein wackerer Reichstagsabgeordneter war.
	        
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