156 IV. 2. Die konstitutionelle Bewegung in Norddeutschland.
um große Feuer, das nichtswürdige Administrationsbier der alleinberech—
tigten städtischen Brauerei floß in Strömen, und stolz rauchte jedermann
auf der Straße; denn die ertrotzte Rauchfreiheit galt in allen diesen kleinen
norddeutschen Revolutionen für das Sinnbild des neuen Völkerfrühlings.
Von bestimmten politischen Plänen war keine Rede. Man sang radikale
Lieder, ließ Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit hoch leben; einzelne empfahlen
auch eine Republik Göttingen unter dem Schutze des Deutschen Bundes.
Die Gesandtschaft aber, welche der neue Gemeinderat nach Hannover
sendete, vermochte sich über die Wünsche des souveränen Volkes so wenig
zu einigen, daß sie schließlich zu gleicher Zeit zwei Eingaben ganz ver—
schiedenen Inhalts der Regierung überreichte. Den großen Höfen erschien
diese so lang anhaltende und so ganz ungestörte revolutionäre Bewegung
völlig unbegreiflich; Metternich bemerkte mit Entsetzen, „bis zu welchem
Grade die Pläne ihrer Urheber gefährlich und verwegen“ seien. Die
hannöversche Regierung meldete dem Bundestage sofort, sie sehe sich außer
stande, Truppen zur Bewachung der deutschen Westgrenze zu stellen, da
sie ihrer bewaffneten Macht im eigenen Lande bedürfe.“) Die geängsteten
Landdrosten und Amtmänner versprachen „den biederen Bewohnern“ ihrer
Bezirke demütig, daß allen Beschwerden „fördersamst“ Abhilfe gewährt
werden solle. An die Göttinger erließ der Generalgouverneur Herzog von
Cambridge ein abmahnendes Manifest nach dem andern und fragte sie
väterlich: „Ist es recht, mit Aufruhr und Widersetzlichkeit anzufangen?“
Er faßte sich erst wieder ein Herz, als ihm Dahlmann, der mit einigen
Abgesandten des akademischen Senats nach Hannover gekommen war, ent-
schlossen erklärte: die Aufständischen seien ihrer Torheit müde, eine mäßige
Truppenmacht könne ohne Blutvergießen die Ordnung herstellen.
So geschah es auch. Als die Truppen am achten Morgen nach dem
Beginne des Aufruhrs endlich einrückten — über 7000 Mann, mehr als
die Hälfte der hannöverschen Armee — da waren die Barrikaden an den
Toren bereits verschwunden, desgleichen die akademische und die bürger-
liche Legion. Rauschenplatt aber floh mit einigen seiner Genossen nach
Straßburg, wo ihm die Studenten einen festlichen Empfang bereiteten;
seines Bleibens war auch hier nicht lange, da Metternich sich bei der
französischen Regierung beschwerte. *) Die anderen Anstifter wurden in
Celle vor eine Gerichtskommission gestellt und dort, nach der grausamen
Weise des alten Strafverfahrens, durch viele Jahre hingehalten. Der
Advokat von Frankenberg, der lediglich in dem benachbarten Flecken Bo-
venden eine Sicherheitswache befehligt hatte, wartete sechs Jahre lang auf
sein Urteil; endlich ließ man ihm die Wahl zwischen der gerichtlichen
Entscheidung und der Gnade des Königs; um dem Jammer nur ein
*) Maltzahns Berichte, 28. 29. Januar 1831.
**) Maltzahns Bericht, 9. Mai 1831.