Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

König Ludwigs Verstimmung. 247 
Gleich ihm war auch der neue Minister des Auswärtigen, Frhr. von Gise 
ein Anhänger Metternichs. Von dem Fürsten Oettingen-Wallerstein, 
einem geistreichen Weltmanne, dem der König ganz unvermutet die Ver— 
waltung des Innern übertrug, wußte man bisher noch wenig. Nur so 
viel war sicher, daß die neue Regierung der Wiener Hofburg näher stehen 
würde als die alte. Unablässig bearbeitete Kaiserin Karoline Auguste 
ihren königlichen Bruder mit frommen Ratschlägen; und da in Bayern 
eine politisch-konservative Partei außerhalb der Kreise des hohen Beam- 
tentums kaum vorhanden war, so regte sich schon die besorgte Frage, ob 
König Ludwig sich nicht bald den mächtigen Klerikalen, die seinen ro- 
mantischen Anschauungen doch sehr nahe standen, ganz in die Arme 
werfen würde. — 
  
Noch eifriger als die Landtage bemühte sich die rasch ins Kraut ge- 
schossene Presse Süddeutschlands, die Höfe in die Bahnen der Reaktion 
hineinzuzwingen. Unter den Zeitschriften des oberländischen Liberalismus 
galten die früherhin von Posselt, dann von Murhard, neuerdings von Rotteck 
herausgegebenen Politischen Annalen immerhin noch für das anständigste 
Blatt, und welch ein törichtes radikales Weltbürgertum ward hier ver- 
treten. Von Deutschland, von den Pflichten nationaler Ehre und Selbst- 
behauptung war gar nicht mehr die Rede. Der ehrliche Freiburger 
Doktrinär sah auf der Welt nichts weiter als den Freiheit krähenden 
gallischen Hahn und dessen Todfeindin, „die heilige Allianz“. „Die Ge- 
schichte der Welt“, so schrieb Rotteck im Januar 1831, „hat kein anderes Jahr 
von so unermeßlicher und verhängnisvoller Wichtigkeit aufzuweisen, wie 
jenes, das soeben zu Ende ging.“ Darum fand er es entsetzlich, daß 
„Lafayette, der Abgott aller wohldenkenden Franzosen, dem schändlichen 
Hasse der Aristokraten aufgeopfert“ wurde. Darum verlangte er auch 
die Einmischung der deutschen Mächte zu Gunsten der aufständischen Polen, 
eine Intervention, die gerade „aus dem Prinzip der Nichtintervention zu 
rechtfertigen“ sei! „Belgien, so unentbehrlich zur Sicherstellung Frank- 
reichs gegen die Waffenmacht der heiligen Allianz“, wurde zu Rottecks 
Bedauern durch die Friedensliebe der Justemilianer verschmäht, und der 
badische Staatsweise wünschte von Herzen, daß diesem friedlichen Ent- 
schlusse des freien Frankreichs nicht „eine allzu späte Reue“ folgen möchte. 
Als der betriebsame bayrische Kammerredner Hornthal wieder einmal eine 
Schrift herausgab, um die Neutralität Deutschlands gegenüber der Juli- 
Revolution zu verlangen, da ward er von Rotteck hart angelassen: das 
sei zu wenig; jetzt handle es sich um die allgemeine Freiheit und Zivili- 
sation, also müßten Deutschlands konstitutionelle Fürsten Partei ergreifen, 
„ihr Wort und ihre Arme legen in die Wagschale der Konstitution“. So 
mit der ganzen harmlosen Unwissenheit des politischen Dilettanten predigte
	        
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