Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Preußische Demagogen. 611 
Insgesamt wurden etwa 1800 Personen wegen der Umtriebe der 
Revolutionsjahre in Untersuchung gezogen. Die neue Bundeszentral— 
behörde nahm von allem Kenntnis; sie zählte mehrere ausgezeichnete Rich— 
ter in ihren Reihen; Preußen namentlich war durch Eichmann, nachher 
durch Mathis und Strampff sehr gut vertreten. Die Geschäfte gingen 
jedoch langsam, denn viele Regierungen zeigten sich saumselig, die einen 
aus Zorn, die anderen aus Trägheit.“) Nach mehreren Jahren (1835) 
beantragte Baden in Berlin die Auflösung der Behörde, da sie jetzt in 
stillerer Zeit nur noch die Gemüter aufreizen könne. Der preußische Hof 
aber bestand darauf, erst müsse öffentlich Rechenschaft abgelegt werden. **) 
Im Jahre 1839 erschien endlich die „Darlegung der Hauptresultate“ der 
politischen Untersuchungen, ein Bericht, der sich vor den Arbeiten der alten 
schwarzen Kommission immerhin durch Ehrlichkeit auszeichnete; denn dies- 
mal lagen wirklich ernste Tatsachen vor. Niemand konnte leugnen, daß 
die Verschwörer von 1833 mit den Emissären Lafayettes und der polni- 
schen Propaganda in Verbindung gestanden hatten; und dieser geheime inter- 
nationale Verkehr währte fort, noch im Jahre 1839 gründeten die Pariser 
Radikalen eine literarische Korrespondenz zur Vertretung der französischen 
Interessen in Deutschland.) Daneben fehlte es freilich nicht an Zügen 
kindischer Angstlichkeit: daß ein Küfer bei den Handwerksburschen Stück- 
faß hieß, ein Schornsteinfeger Schwarzkünstler, ein dritter Geselle gar 
den schrecklichen Kriegsnamen Ochs führte, schien den Frankfurter Dema- 
gogenverfolgern hochbedenklich. 
In Preußen war alles ruhig geblieben, und das Kammergericht, das 
unter der Oberaufsicht einer Ministerialkommission die Untersuchung 
führte, mußte sich fast allein an die unglücklichen Studenten halten. Kamptz 
verfügte als rheinischer Justizminister, daß niemand eine Richterstelle er- 
langen dürfe, der jemals einer Burschenschaft angehört habe. Gegen die 
Verhafteten selbst zeigte er sich wieder sehr freundlich, freundlicher min- 
destens als sein Amtsgenosse Rochow oder der gestrenge Präsident des 
Kammergerichts von Kleist; am härtesten verfuhren der berüchtigte Tzschoppe 
und der Untersuchungsrichter Dambach. Vor dies Tribunal kam unnach- 
sichtlich jeder Burschenschafter, der den preußischen Behörden in die Hände 
fiel, selbst wenn er ein Ausländer war und nie in Preußen studiert hatte. 
Dem Berliner Polizeidirektor Dunker, den alle Spitzbuben wie den Satan 
fürchteten, ging es fast wider die Amtsehre, daß er sich jetzt mit so vielen 
anständigen Leuten befassen sollte. Auch Heinrich Laube mußte einige 
Monate in harter Haft verbringen, nicht wegen seiner literarischen Sün- 
den, sondern weil er vor langen Jahren in die Hallenser Burschenschaft 
eingetreten war. Im Jahre 1836 endlich sprach das Kammergericht sein 
.Bilittersdorffs Berichte, 3. Mai, 5. Juli 1835. 
**) Frankenbergs Berichte, 26. März, 21. April 1835, 9. April 1836. 
eo.) Strampff, Bericht an die preuß. Ministerialkommission, Frankfurt, 26.Febr. 180. 
307 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.