Preußische Demagogen. 611
Insgesamt wurden etwa 1800 Personen wegen der Umtriebe der
Revolutionsjahre in Untersuchung gezogen. Die neue Bundeszentral—
behörde nahm von allem Kenntnis; sie zählte mehrere ausgezeichnete Rich—
ter in ihren Reihen; Preußen namentlich war durch Eichmann, nachher
durch Mathis und Strampff sehr gut vertreten. Die Geschäfte gingen
jedoch langsam, denn viele Regierungen zeigten sich saumselig, die einen
aus Zorn, die anderen aus Trägheit.“) Nach mehreren Jahren (1835)
beantragte Baden in Berlin die Auflösung der Behörde, da sie jetzt in
stillerer Zeit nur noch die Gemüter aufreizen könne. Der preußische Hof
aber bestand darauf, erst müsse öffentlich Rechenschaft abgelegt werden. **)
Im Jahre 1839 erschien endlich die „Darlegung der Hauptresultate“ der
politischen Untersuchungen, ein Bericht, der sich vor den Arbeiten der alten
schwarzen Kommission immerhin durch Ehrlichkeit auszeichnete; denn dies-
mal lagen wirklich ernste Tatsachen vor. Niemand konnte leugnen, daß
die Verschwörer von 1833 mit den Emissären Lafayettes und der polni-
schen Propaganda in Verbindung gestanden hatten; und dieser geheime inter-
nationale Verkehr währte fort, noch im Jahre 1839 gründeten die Pariser
Radikalen eine literarische Korrespondenz zur Vertretung der französischen
Interessen in Deutschland.) Daneben fehlte es freilich nicht an Zügen
kindischer Angstlichkeit: daß ein Küfer bei den Handwerksburschen Stück-
faß hieß, ein Schornsteinfeger Schwarzkünstler, ein dritter Geselle gar
den schrecklichen Kriegsnamen Ochs führte, schien den Frankfurter Dema-
gogenverfolgern hochbedenklich.
In Preußen war alles ruhig geblieben, und das Kammergericht, das
unter der Oberaufsicht einer Ministerialkommission die Untersuchung
führte, mußte sich fast allein an die unglücklichen Studenten halten. Kamptz
verfügte als rheinischer Justizminister, daß niemand eine Richterstelle er-
langen dürfe, der jemals einer Burschenschaft angehört habe. Gegen die
Verhafteten selbst zeigte er sich wieder sehr freundlich, freundlicher min-
destens als sein Amtsgenosse Rochow oder der gestrenge Präsident des
Kammergerichts von Kleist; am härtesten verfuhren der berüchtigte Tzschoppe
und der Untersuchungsrichter Dambach. Vor dies Tribunal kam unnach-
sichtlich jeder Burschenschafter, der den preußischen Behörden in die Hände
fiel, selbst wenn er ein Ausländer war und nie in Preußen studiert hatte.
Dem Berliner Polizeidirektor Dunker, den alle Spitzbuben wie den Satan
fürchteten, ging es fast wider die Amtsehre, daß er sich jetzt mit so vielen
anständigen Leuten befassen sollte. Auch Heinrich Laube mußte einige
Monate in harter Haft verbringen, nicht wegen seiner literarischen Sün-
den, sondern weil er vor langen Jahren in die Hallenser Burschenschaft
eingetreten war. Im Jahre 1836 endlich sprach das Kammergericht sein
.Bilittersdorffs Berichte, 3. Mai, 5. Juli 1835.
**) Frankenbergs Berichte, 26. März, 21. April 1835, 9. April 1836.
eo.) Strampff, Bericht an die preuß. Ministerialkommission, Frankfurt, 26.Febr. 180.
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