XXI. König Wilhelm von Württemberg an Minister Wangenheim. 745
die Kronen Sachsen und Hannover sich der dauernden militärischen Hegemonie Preußens
freiwillig fügen würden? Der Rücktritt Bernstorffs im Mai 1832 hing mit diesen
Militärverhandlungen nicht zusammen, auch nicht mittelbar. Er erfolgte einfach, weil
der schwer erkrankte Minister sein seit Jahren wiederholtes Abschiedsgesuch nochmals er-
neuerte. Der König bewilligte die Entlassung sehr ungern, unter allen Zeichen seiner
Gnade, und behielt sich ausdrücklich vor, den Rat des Grafen auch fernerhin einzuholen.
Er hat von diesem Vorbehalte auch Gebrauch gemacht; es war wesentlich Bernstorffs
Verdienst, daß Preußen im Jahre 1833, zur Zeit der Münchengrätzer Zusammenkunft,
die kriegerischen Pläne des Zaren Nikolaus abermals durchkreuzte. Bernstorffs Ent-
lassung war kein Systemwechsel, obgleich sich natürlich die schwächliche Persönlichkeit seines
Nachfolgers Ancillon sehr bald bemerkbar machte; der König behielt die Leitung der aus-
wärtigen Angelegenheiten, die er seit der Juli-Revolution an sich genommen hatte, nach
wie vor in seiner Hand.
Historisch bedeutsam ist in diesen militärischen Verhandlungen nur die still wirkende
Naturgewalt der deutschen Einheit. Sobald die kleinen Kronen sich ernstlich bedroht
fühlen, erkennen sie auch, daß nur Preußen sie zu schützen vermag, und zeigen sich bereit,
dem preußischen Staate für die Tage der Gefahr einige Vorrechte zuzugestehen. Aber
keine Macht der Welt kann sie bewegen, nun auch den logischen Schluß zu ziehen und
durch Bundesbeschluß die unbrauchbare Bundeskriegsverfassung abzuändern. So ist es
doch eine Notwendigkeit gewesen, daß Preußens Waffen schließlich dies Bundesrecht, das
einer gesetzlichen Entwicklung nicht fähig war, über den Haufen werfen mußten.
XXI. fKönig Wilhelm von Württemberg an Minister
Wangenheim.
Zu Bd. IV. 289.
9. Sept. 1832.
Mein Herr von Wangenheim! Obschon-Ich während Ihrer Laufbahn als Minister
mehrere Gelegenheiten hatte über Ihre wenige Diskretion unzufrieden zu sein, so war
Ich doch weit entfernt ahnden zu können, daß Sie Sich beigehen lassen würden, Meinen
Ihnen eigenhändig geschriebenen vertrauten Brief ohne Meine Erlaubnis öffentlich bekannt
zu machen. Ich kann nicht anders, als Ihnen Meine ganze Indignation über ein Ver-
fahren, das selbst zwischen Privatleuten im höchsten Grade unerlaubt wäre, zu erkennen
zu geben, wie viel weniger in einem Verhältnis, in dem Sie nie aufgehört haben gegen
Mich zu stehen. Ebenso unangenehm sind Mir die Lobsprüche gewesen, die Sie über den-
jenigen Teil Meines Briefes, den Sie nicht abgedruckt haben, beigefügt haben, indem
unter den wirklichen Zeitumständen jedes günstige Urteil eines Mannes, der zu einer
Partei gehört, zu der Sie Sich öffentlich bekannt haben, für Mich nur höchst beleidigend
sein kann. Wilhelm.
XXII. Das Frankfurter Abttentat.
Zu Bd. IV. 299f.
Aus der Erzählung des Dr. Eimer folgen hier einige Auszüge. — Auf dem Burschen-
tag zu Stuttgart Weihnachten 1832 wurde unseren Delegierten die Mitteilung gemacht,
es sei eine Revolution in Deutschland im Werke und sei dafür kommendes Frühjahr in
Aussicht genommen. Dabei zähle man auf die Beteiligung der Studenten und sollten