Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Rücktritt des Ministeriums Thiers. 111 
Ludwig Philipp, weil er sich gegen einen Pariser Straßenaufruhr decken 
wollte, Thiers, weil er weiter schauend erkannte, was die befestigte Haupt— 
stadt im Kriegsfalle für die Verteidigung dieses zentralisierten Landes 
leisten konnte.') Durch Thiers' volkstümlichen Namen wurde die libe- 
rale Presse für den anfangs wenig beliebten Plan gewonnen, und nach- 
dem dies Ziel erreicht war, konnte der König leichten Herzens den un- 
bequemen Mann fallen lassen. Das neue Friedensministerium war sein 
eigenstes Werk, und nach alter Gewohnheit suchte er nunmehr die vier 
Mächte zu einiger Nachgiebigkeit zu bewegen, indem er ihnen das Schreck- 
gespenst der Revolution vorhielt. „Wenn das gegenwärtige Kabinett fällt“, 
so schrieb er, „dann gebt euch keiner Täuschung hin: was dann folgt, ist 
der Krieg um jeden Preis und nachher ein vervollkommnetes 1793.“7) 
Auch sein Schwiegersohn König Leopold bemühte sich eifrig für den 
Frieden. Der hatte den Juli-Vertrag von Haus aus als einen Fehler 
betrachtet und sogleich an Metternich warnend geschrieben: „Bedenken Sie, 
welchen Zündstoff Sie in die Hände von Lord Ponsonby, Napier und 
anderen dieses Schlages gelegt haben.“ Auf der Freundschaft der West- 
mächte ruhte seine eigene Herrschaft; und da er richtig erkannte, daß die 
Friedensstörung diesmal von England und Rußland ausging, so eilte er 
schwer besorgt nach Windsor, um seine königliche Nichte vor diesem „mon- 
strösen“ Kriege zu warnen, und versuchte zugleich durch Bülow, der ihm 
von lange her nahe stand, auf Palmerston einzuwirken..““) Sobald das 
neue Kabinett in Paris gebildet war, beschwor er den Preußen (3. Nov.), 
die vier Mächte möchten dem französischen Hofe eine goldene Brücke 
bauen: Lassen wir das jetzige Ministerium fallen, so bekommen wir Thiers 
als Chef der gesamten Linken ins Ministerium, der unglückliche König 
muß sich dann unterwerfen, und ein Krieg und Unheil jeder Art ist un- 
fehlbar.“ Noch drängender schrieb er vier Tage darauf, „da man ja 
natürlich annehmen muß, daß man es mit Downing-Street und nicht 
mit Bedlam zu tun hat: Ihre Hand hat mit den trefflichen Traktat 
unterzeichnet; sie muß uns daher auch wieder von den Segnungen dieses 
Traktats befreien, an denen wir alle schlagähnlich daniederliegen. Lassen 
Sie mir das gute jetzige Ministerium umwerfen, so armiere ich hier ganz 
bestimmt, und das wird dann Deutschland auch zum Armieren encoura- 
gieren.“/T) 
Dies emsige Treiben des schlauen Koburgers mußte den vier Mächten 
hochverdächtig erscheinen, weil er offenbar nur sagte, was sein Schwieger- 
vater ihm eingab. Sie waren, als sie einst in so vielen Verträgen, 
*) Werthers d. J. Berichte, 16. 30. Sept. 1840. 
**) König Ludwig Philipp an König Leopold, 5. Nov. 1840. 
*"*) König Leopold an Metternich, mitgeteilt in Maltzans Bericht v. 21. Aug. 1840, 
Bülows Bericht, 21. Aug. 1840. 
f)König Leopold an Bülow 3. 7. Nov. 1840. 
 
	        
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