174 V. 3. Enttäuschung und Verwirrung.
aufbau der Marienburg noch zu überbieten, in seinen Träumen beschäftigt.
Er übernahm sofort das Protektorat des Domvereins und bestimmte
50 000 Taler aus Staatsmitteln jährlich für den Fortbau. Die gleiche
Summe etwa dachte man aus freiwilligen Beiträgen zu gewinnen; und
da Zwirner die Gesamtkosten auf 5 Mill. anschlug, so hielten selbst
hoffnungsvolle Schwärmer für wahrscheinlich, daß erst das zwanzigste
Jahrhundert die gänzliche Vollendung erleben könnte.
Am 4. September wurde der zweite Grundstein gelegt, fast volle
sechshundert Jahre, nachdem einst Erzbischof Konrad von Hochstaden den
Bau des hohen Chores begonnen hatte; die zerrissene Kette der Zeiten sollte
sich wieder schließen. Der König besuchte zuerst den Gottesdienst in der
protestantischen Kirche; denn heute am wenigsten wollte er seinen evange-
lischen Glauben verbergen, dieser Bau war ihm ein Werk des Bruder-
sinnes aller Bekenntnisse. Darauf fuhr er zum Hochamt in den Dom;
und als er dann draußen im Freien, umgeben von der Schar seiner fürst-
lichen Gäste, von der Klerisei und einem glänzenden Gefolge, von dem Dom-
bauvereine und einer ungeheueren Zuschauermenge, den Hammer erhob, um
den Grundstein zu legen, da entlud sich die Begeisterung seiner Künstler-
seele wieder in einer prächtigen Rede: „Hier, wo der Grundstein liegt, dort
mit jenen Türmen zugleich, sollen sich die schönsten Tore der ganzen Welt
erheben. Deutschland baut sie, so mögen sie für Deutschland durch Gottes
Gnade Tore einer neuen, großen, guten Zeit werden. Der Geist, der diese
Tore baut . . . ist der Geist deutscher Einigkeit und Kraft. Ihm mögen
die Kölner Dompforten Tore des herrlichsten Triumphes werden! Er baue,
er vollende! Und das große Werk verkünde den spätesten Geschlechtern von
einem durch die Einigkeit seiner Fürsten und Völker großen, mächtigen, ja
den Frieden der Welt unblutig erzwingenden Deutschland! Der Dom von
Köln, das bitte ich von Gott, rage über diese Stadt, rage über Deutschland,
über Zeiten, reich an Menschenfrieden, reich an Gottesfrieden, bis an das
Ende der Tage!“ Und mit der Sicherheit des geborenen Redners die Emp-
findungen seiner rheinischen Hörer richtig herausfühlend, rief er zum Schluß
„das tausendjährige Lob der Stadt: Alaf Köln!“ Ein unbeschreiblicher
Jubel folgte diesen Worten, wie einst der Königsberger Rede; aufs neue
erbrauste der Beifallssturm, als nunmehr der alte Krahn droben in Be—
wegung geriet und der erste Baustein auf den Turm emporschwebte.
Auch auf dem Festmahle nachher, das siebenhundert Gäste des Königs
unter einem großen Zelte vereinigte, herrschte die helle Freude; alte Männer
fielen einander weinend in die Arme und priesen sich glücklich, diesen Tag
noch zu erleben, FriedrichWilhelm selbst überschüttete den aus dem Getümmel
herangeholten Sulpiz Boisseree mit dankbarer Huld. Am Abend war die
Stadt mit ihren malerischen Türmen festlich beleuchtet — ein unver—
geßlicher Anblick für die Tausende, die auf reichbeflaggten Dampfern den
Rhein auf und nieder fuhren.