184 V. 3. Enttäuschung und Verwirrung.
teien, die eine voll Furcht, die andere voll Hoffnung; die Nation muß
wissen, woran sie ist.“) Zuletzt beschloß man, die Versammlung zu
eröffnen ohne ein Manifest und ohne eine feierliche Anrede des Mon-
archen; denn die ständischen Entwürfe, mit denen der König sich noch
trug, waren seinen Räten noch nicht mitgeteilt, und er wollte davon
für jetzt nichts öffentlich verlauten lassen.
Am Jahrestage der Leipziger Schlacht traten die Ausschüsse im Schlosse
zu Berlin zusammen. Von der gehobenen Stimmung, welche der große
Erinnerungstag erwecken sollte, zeigte sich keine Spur. Wohl sagte Arnim
in seiner Eröffnungsrede, dies sei für immer ein glorreicher Tag in der
Regierung des Königs. Die Versammlung aber fühlte sich unsicher, denn
sie sahen keinen Rechtsboden unter ihren Füßen; um so ängstlicher mußte
sie sich hüten, in die Rechte der Provinziallandtage oder des künftigen
Reichstags einzugreifen. Sie bestand aus 98 Mitgliedern, 46 von den
Standesherren und der Ritterschaft, 32 städtischen, 27 bäuerlichen Abge-
ordneten. Jeder Überhebung war durch eine überaus kleinliche Geschäfts-
ordnung vorgebeugt. Minister Bodelschwingh erlaubte den Ausschüssen nicht
einmal, dem Monarchen in einer Adresse für die Einberufung zu danken;
sie mußten ihren Dank in den Protokollen niederlegen. Diese wurden
gedruckt und enthielten — wieder ein kleines Zugeständnis — sogar die
Namen der Redner, aber sie durften nur zum Gebrauche der Mitglieder
selbst dienen. Nach langem Suchen hatte das Ministerium endlich drei
Fragen aufgefunden, welche den Ausschüssen zur Begutachtung vorgelegt
wurden. Die erste betraf den beabsichtigten Steuererlaß von 2 Mill. Tlr.
und war im Grunde überflüssig. Denn von vornherein hatte das Finanz-
ministerium geraten, nur eine Steuer, die bei den kleinen Leuten ver-
haßte Salzsteuer zu ermäßigen, damit der Beweis königlicher Gnade jedem
in die Augen fiele"*); dieser Vorschlag war von der großen Mehrzahl der
Provinziallandtage angenommen worden, und den Ausschüssen blieb nur
übrig, das schon Beschlossene nochmals zu genehmigen. Noch weniger po-
litische Bedeutung hatte die dritte Frage wegen der Benutzung der Privat-
flüsse; dieser Gesetzentwurf konnte nur technische Erörterungen hervorrufen.
Sehr peinlich aber war der Eindruck, als die Regierung ihre zweite
Frage stellte: ob die Ausschüsse die baldige Ausführung eines umfassen-
den, die Provinzen unter sich und mit der Hauptstadt verbindenden Eisen-
bahnsystems für notwendig hielten? Die Frage wurde mit großer
Mehrheit bejaht, seit dem glücklichen Gelingen der Leipzig-Dresdner
Eisenbahn begannen den Preußen die Augen aufzugehen. Von allen
Seiten ward anerkannt, das germanische Preußen müsse „der Führer
*) Protokolle des Staatsministeriums, 6. 8. 10. Okt. 1842.
** ) Denkschriften über den Steuererlaß, von Alvensleben Aug. 1840, von Patow
24. Jan. 1842.