272 V. 3. Enttäuschung und Verwirrung.
beabsichtigte er, das erste Verheißungsgesetz von 1815 aufzuheben, weil
darin der unzulässige Ausdruck „Landesrepräsentation“ vorkam; das Staats-
schuldengesetz von 1820 wollte er „regulieren“, indem er den Reichsständen
nur für Friedenszeiten das Recht der Bewilligung neuer Anleihen ein-
räumte; das Provinzialständegesetz von 1823 hingegen dachte er vollständig
zu erfüllen. Nach seiner Gewohnheit sagte er wieder sehr nachdrücklich,
was er nicht wollte: „Ich will bestimmt und entschieden 1) keine Na-
tionalrepräsentation, 2) keine Charte, 3) keine periodi-
schen Fieber, d. h. periodischen Reichstage, 4) keine Reichs-
tagswahlen . weil ich König von Preußen bleiben, weil ich Preußens
Stellung in Europa nicht umwerfen will.“ Sohoffte er, „jedes fernere Be-
gehren des Fortschritts nach den Theorien des Tages nach-
drücklich und wohlgemut zurückzuweisen.“ Besonders erfreulich erschien
ihm, daß durch die Berufung des Vereinigten Landtags die Vereinigten
Ausschüsse — wie er auf eine frühere Warnung Metternichs anspielend
sagte — „auf eine gerade Fläche gestellt“ würden und nicht mehr versuchen
könnten, ihre Rechte zu erweitern: „Die arglistige Absicht, die periodischen
Ausschußtage durch die eigene Schwere in die Reichstags-Kategorie hin-
überrollen zu lassen, ist mausetot.“ Leider entging ihm, daß er seinen
Vereinigten Landtag selbst auf eine schiefe Fläche gestellt hatte; denn un-
ausbleiblich mußte eine so große, mit so bedeutsamen Rechten ausgestattete
Versammlung zum mindesten ihre periodische Wiederkehr verlangen; an der
Nichtberufung der Landtage waren ja die ständischen Verfassungen der
preußischen Kronländer einst fast allesamt zu Grunde gegangen.
Vergeblich bat Arnim den König, er möge seine Herzensergießung
mindestens noch so lange zurückhalten, bis die Entscheidung in Preußen
selbst gefallen sei: „wird nicht der österreichische Kanzler diese offene Schil-
derung der preußischen Zustände aus der Feder des Monarchen zum
Vorteil Österreichs und zur Schwächung des äußeren Ansehens Preußens
ausbeuten und zu geeigneten Mitteilungen an andere Regierungen ver-
wenden?“?) Der Brief an Metternich ging ab; und da der König doch
fremden Einspruch nicht mehr beachten wollte, so nahm er keinen An-
stand, auch den Zaren Nikolaus und den Nestor der deutschen konstitu-
tionellen Fürsten, den König von Württemberg in seine Pläne einzuweihen.
Metternich wiederholte zur Antwort nur seine alten Warnungen, und
die beiden Monarchen erwiderten in demselben Sinne. König Wilhelm
versicherte dem preußischen Gesandten beständig, wie gründlich er mit
seinen konstitutionellen Jugendträumen aufgeräumt hätte: diese Institu-
tionen, sagte er oft, sind ein ausländisches Gewächs, ich kann mich nur
bemühen, sie so unschädlich zu machen als möglich.**) Nikolaus aber ge-
*) Arnim an den König, 13. Dez. 1844.
**) Rochows Berichte, Stuttgart, 5. Jan., 30. April 1845.