Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

284 V. 4. Die Parteiung in der Kirche. 
Brühl, ob nicht der Papst selbst, im Einverständnis mit der Krone, so- 
fort einen zur Nachfolge berechtigten Koadjutor ernennen wolle — ein 
Ausweg, der dem Könige schon gleich nach seiner Thronbesteigung durch 
den staatstreuen Bonner Klerikalen Ferdinand Walter empfohlen worden 
war. Gregor ging darauf ein: so wurde ja das verhaßte Kölner Dom- 
kapitel ganz zur Seite geschoben. Nunmehr begann man nach vatika- 
nischem Brauche einander wechselseitig zu betasten und auszuforschen 
wegen eines möglichen Kandidaten. Nach mannigfachen Winkelzügen 
nannte Lambruschini den Jesuitenhäuptling Reisach, sodann den vertrauten 
Freund der Familie Droste, Professor Kellermann in Münster, endlich 
den jungen Münchener Domherrn Windischmann, den Sohn des Bonner 
Arztes, einen tüchtigen Orientalisten, der, mehr Gelehrter als Geistlicher, 
doch zu der strengen Jesuitenpartei gehörte und in Görres' gelben Blättern 
seine Feder tummelte. Alle drei erklärte Brühl für unmöglich; sein König 
wünschte den edlen, hochgebildeten Domkapitular Diepenbrock in Regens- 
burg; den aber wies die Kurie zurück. Über die Personenfrage hätte 
man sich doch einigen können, da beide Teile noch einen allerletzten 
Kandidaten in Bereitschaft hielten. Ganz unlösbar aber erschien wieder 
die Frage, ob Droste zurückkehren dürfe. Niemals! erklärte Brühl; nur 
auf wenige Tage! sagten die Monsignoren, obwohl sie selbst zugestanden, 
daß eine solche Rückkehr die Rheinländer aufregen, die Protestanten der 
alten Provinzen erbittern mußte. Dazwischen hinein kamen Adressen 
von den Getreuen am Rhein, die den heiligen Vater um Rückkehr ihres 
Oberhirten anflehten. Auch Droste selber schrieb — „in seiner eigentüm- 
lichen unhöflichen Weise“, wie Capaccini sagte: — an dem Purpur des 
Kardinals lag ihm nichts, nur Genugtuung wollte er haben; denn es 
stehe schlecht um die Kirche, wenn der Papst solche Unbill den Bischöfen 
widerfahren lasse. 
Brühl hielt sich tapfer und erfuhr aus endlosen Zerrungen und 
Zettelungen, wie richtig die Römer das Wesen der Theokratie beurteilten, 
wenn sie kurzab zu sagen pflegten: mit Priestern kann man nicht ver- 
handeln! Langsam, langsam zurückweichend gelangte die Kurie nach Mo- 
naten endlich zu dem Gegenvorschlage: Droste solle nur auf vierundzwanzig 
Stunden nach Köln kommen und nicht einmal um den Koadjutor einzusetzen, 
sondern lediglich um als envoyé du pape dem ernannten Koadjutor nach- 
träglich die Bischofsweihe zu erteilen. Dabei wollte man unwiderruflich 
bleiben. Dieser letzte Vorschlag bewies deutlich, daß es sich gar nicht 
mehr um die Wahrung kirchlicher Rechte handelte, sondern um eine mut- 
willige Verhöhnung der Krone Preußen. Niemand wußte dies besser 
als der gelehrte Kanonist Gregor; der aber stellte sich so verzweifelt an 
und sprach sein ewiges „der Papst kann nicht“ in so herzbrechendem Tone, 
daß der ehrliche Preuße sich endlich ganz zerknirscht fühlte. Der geistliche 
Despot, dessen nichtswürdige Regierung von allen seinen Untertanen
	        
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