Dritte Sendung Brühls. 287
auf die übrigen protestantischen Staaten in Deutschland auch dort jenen
revolutionären Grundsätzen ein Ende machen, die aus der hehren Himmels—
tochter die dienstbare Magd des modernen Staatstums herausbilden, sie
entweihen und entwürdigen möchten.“ Wahrlich, es geschahen Zeichen
und Wunder, seit die neue ultramontane Partei sich fest zusammen-
geschlossen hatte. Wer hätte vordem für denkbar gehalten, daß ein deutscher
Minister einen Priester geradeswegs zum Kampfe wider die Kirchenpolitik
deutscher Regierungen auffordern könnte? Geissel antwortete zunächst
vorsichtig ablehnend; aus den wohlgewählten Worten ließen sich jedoch
seine ehrgeizigen Wünsche leicht herauslesen.
In Rom wurde Brühl diesmal, nach den neuen großen Gewährungen
des Königs, mit offenen Armen aufgenommen; und als er Geissel nannte,
fand weder Lambruschini noch der Papst selber gegen diesen guten Namen
etwas einzuwenden. Da mit einem Male ward ein neuer Pfeil aus dem
unerschöpflichen Köcher vatikanischer Verhandlungskünste herausgeholt, ein
schweres, ganz unüberwindliches Bedenken. Geissel war ja schon Bischof,
also konnte er auch nicht durch Droste nachträglich die Bischofsweihe
empfangen, und folglich — so schlossen die Monsignoren, alle früheren
Abreden vergessend, mit verblüffender Unbefangenheit — folglich mußte
er nicht durch den Papst, sondern durch Droste selbst in das Koadjutor-
Amt eingesetzt werden, damit der alte Erzbischof doch irgend eine Genug-
tuung erhielte. In Berlin hatte man sich jedoch gegen solche Über-
fälle gerüstet. Brühl lehnte die Zumutung unbedingt ab, und als die
Kurie nicht nachgab, erklärte er plötzlich: nun wohl, dann lassen wir
Geissel fallen und verlangen den Domherrn Arnoldi in Trier — denselben
Arnoldi, den einst der alte König als persona minus grata von dem
Trierschen Bischofsstuhle ausgeschlossen hatte! Nach kurzem Zögern nahm
Gregor diesen neuen Vorschlag an; über alles einzelne ward man schnell
einig, und wenige Tage später meldete Brühl zufrieden: „Das Beschlossene
ist unwiderruflich“; der Papst ernennt Arnoldi zum Koadjutor und sendet
nachher den alten Erzbischof für einen Tag nach Köln, wo die Bischofs-
weihe im Auftrage des heiligen Vaters vollzogen wird. In welche
Widersprüche war doch der König durch seine Herzensgüte hineingedrängt
worden. Aus Pietät gegen seinen Vater hatte er Drostes Rückkehr unter-
sagt und jetzt wollte er doch gestatten, daß dieser von dem alten Könige
wegen Ungehorsams weggewiesene Prälat auf vierundzwanzig Stunden
zurückkam, um die Bischofsweihe dem neuen Kölnischen Koadjutor zu er-
teilen, dem der alte Herr nicht einmal das bescheidene Bistum Trier
hatte anvertrauen wollen! Hieß das nicht, das Andenken des Vaters
zweimal beschimpfen? Eine schmachvolle Niederlage stand der Krone
Preußen und der Person ihres Trägers bevor; denn so gewiß der Staat
Macht ist, ebenso gewiß bleibt die Schwäche, auch die wohlmeinende
Schwäche unter allen politischen Sünden die schwerste.