Rauchs Friedrichsdenkmal. Rietschel. 407
frei, bald halbrund, bald flach aus dem Sockel heraustretenden Gestalten
ordnete er so glücklich hinter= und nebeneinander, daß die Überzahl der
Arme und Beine verdeckt blieb; die ruhige Gruppe der Männer des
Friedens hob sich wirksam ab von den bewegteren der Kriegshelden. Das
Werk reichte an die Majestät des Schlüterschen Kurfürstenstandbildes nicht
ganz heran und erschien etwas steif durch den allzu hohen Aufbau; aber
in diesem Jahrhundert war der deutschen Bildnerkunst noch nie eine so
großartige Schöpfung gelungen. Leider konnte das Denkmal erst nach der
Revolution enthüllt werden, vor einem verstimmten Geschlechte, das dem
unglücklichen Könige für nichts mehr danken wollte.
Gleich dem Meister wendete sich auch sein liebevoller Johannes, Ernst
Rietschel, ohne die klassische Formenstrenge aufzugeben, einer schärfer
charalterisierenden, realistischen Kunstweise zu. Der milde, fromme, kind-
lich bescheidene Künstler ähnelte in manchen Charakterzügen seinem Freunde
und Landsmanne Ludwig Richter. Nur war sein Geist weit freier, größer
angelegt und durch eine harte Lebensschule gestählt. Wie ahnungsvoll
hatte der blutarme Knabe einst von den Bergen seiner Lausitz hinüber-
geschaut nach den fernen Türmen Dresdens; und als er dann in die er-
sehnte Stadt des Glanzes und der Künste einzog, da kümmerte er wieder
jahrelang hin, ratlos, führerlos, unter unfähigen Lehrern, in einer weichen
romantischen Luft, oft ganz zerknirscht durch den Gedanken, daß der Bild-
hauer für die Ewigkeit schaffen soll — bis ihm endlich Rauch eine neue
Welt kraftvoller Schönheit aufschloß. Jetzt errang er zuerst einen durch-
schlagenden Erfolg, als er in der Gruppe der Pieta einen tausendmal
behandelten Stoff völlig neu und eigentümlich gestaltete, ebenso gemüt-
voll wie die alten Nürnberger Meister, aber mit unvergleichlich reinerem
Formensinne.
Dann übertrugen ihm die Braunschweiger die Ausführung ihres
Lessingstandbildes, und sofort machte er dieselbe Erfahrung wie Rauch
beim Friedrichsdenkmal. Der Todfeind des gespreizten Römertums der
französischen Tragödie konnte doch unmöglich in der Toga erscheinen,
der stolze Verächter alles falschen Scheines unmöglich im Theatermantel.
Rietschel entschloß sich also noch einen Schritt über den Meister hinaus
zu wagen und den Helden selbst, so wie einst Schadow den alten Zieten,
stark, schlicht und ehrlich, ohne jede schmückende Zutat, in der Tracht
der Zeit hinzustellen, ein köstliches Bild deutschen Wahrheitstrotzes. Scha-
dows Zieten war im Grunde nur eine akademische, zufällig in die Husaren-
uniform gekleidete Gestalt; Rietschel ging darauf aus, daß Form und
Inhalt seines Bildwerks vollkommen übereinstimmen sollten. Aus jeder
Not ward ihm eine Tugend, den Haarbeutel benutzte er, um die freien
Linien des wallenden Haares zu zeichnen, das enge kurze Beinkleid, um
die gedrungene Kraft der Glieder zu zeigen. Auch dies lang und schwer
durchdachte Werk gelangte erst nach den Stürmen der Revolution zum