Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

502 V 6. Wachstum und Siechtum der Volkswirtschaft. 
anweisungen und den 2 Mill. bar, die ihr der Staatsschatz überwiesen 
hatte? Rother verlangte darum, daß die Bank einen um 10 Mill. Tlr. 
vergrößerten Betriebsfonds erhalten und dafür Noten bis zu demselben 
Betrage ausgeben müsse. Praktiker durch und durch, war er vom Regi- 
mentsschreiber zum Minister aufgestiegen und mit der Geschäftswelt 
immer in Fühlung geblieben. Wie er einst, zum Entsetzen des zünftigen 
Beamtentums, den Bankier Schickler in die Staatsschuldenverwaltung 
berufen hatte, so erklärte er jetzt: die Bankverwaltung bedürfe für ihre 
Noten des allgemeinen Vertrauens, für ihre erweiterte Tätigkeit einer 
genauen Kenntnis der augenblicklichen Marktverhältnisse; darum müßten 
die 10 Mill. durch das Privatkapital aufgebracht und den Inhabern der 
Bank-Anteilscheine eine stimmberechtigte Vertretung eingeräumt werden. 
Die Bank sollte mithin eine durch einen königlichen Präsidenten geleitete 
Staatsanstalt bleiben — denn einer Privatbank wollte Rother die Depo- 
siten der Gerichte nimmermehr anvertrauen — doch zugleich so unab- 
hängig gestellt werden, daß sie durch den Ausschuß ihrer kaufmännischen 
Teilhaber gefährliche Zumutungen eines leichtsinnigen Finanzministers 
jederzeit abweisen konnte. 
Rothers Vorschläge erschienen schüchtern, fast ängstlich gegenüber den 
Bedürfnissen des so mächtig angeschwollenen Verkehres. Doch ihr Grund- 
gedanke war gesund, er entsprach dem volkstümlichen Geiste dieser Mon- 
archie, die ja immer ihr Bestes geleistet hatte, wenn ihre starke Staatsgewalt 
mit den freien Kräften der Nation zusammenwirkte. Gleichwohl erhob sich 
von allen Seiten her leidenschaftlicher Widerspruch gegen die Pläne des 
Bankpräsidenten. Schön polterte in Briefen, die fast nur noch aus 
Schimpfwörtern bestanden, wider die Unwissenheit, die Anmaßung, die 
durch Tollheit grandiose Verrücktheit des Kommis Rother und seiner 
Juden. Der Grimmige lebte immer noch in den traurigen Erinnerungen 
des Jahres 1806; er fürchtete, ein Bataillon Franzosen in Trier würde ge- 
nügen, um die 10 Mill. Banknoten sofort zu entwerten. Andererseits hatte 
der erfindungsreiche Bülow-Cummerow den Gedanken einer großen pri- 
vilegierten, aber vom Staate unabhängigen Nationalbank aufgebracht, die 
mit 25 Mill. Kapital ausgerüstet, Hypotheken-, Giro-, Zettelbank, alles 
in allem sein sollte. Er verteidigte seinen Plan in zahlreichen Schriften, 
die er alle durch die gewandte Feder seines Neffen Killisch v. Horn aus- 
arbeiten ließ, und erlangte die freudige Zustimmung Rönnes, dem nie- 
mals ein Plan zu nebelhaft war. Auch der Finanzminister Flottwell ließ 
sich überzeugen, er war Neuling im Bankwesen, wollte für den Staats- 
haushalt keine gefährlichen Verpflichtungen übernehmen und hörte gläubig 
zu, wenn ihm einige Berliner Börsenmänner Wunderdinge von der ge- 
planten Nationalbank erzählten. Der König selbst schien anfangs, wie so 
oft schon, ganz durch Rönnes feurige Beredsamkeit gewonnen zu sein. 
Dem alten Rother ward unheimlich zu Mute. Er fühlte längst,
	        
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