502 V 6. Wachstum und Siechtum der Volkswirtschaft.
anweisungen und den 2 Mill. bar, die ihr der Staatsschatz überwiesen
hatte? Rother verlangte darum, daß die Bank einen um 10 Mill. Tlr.
vergrößerten Betriebsfonds erhalten und dafür Noten bis zu demselben
Betrage ausgeben müsse. Praktiker durch und durch, war er vom Regi-
mentsschreiber zum Minister aufgestiegen und mit der Geschäftswelt
immer in Fühlung geblieben. Wie er einst, zum Entsetzen des zünftigen
Beamtentums, den Bankier Schickler in die Staatsschuldenverwaltung
berufen hatte, so erklärte er jetzt: die Bankverwaltung bedürfe für ihre
Noten des allgemeinen Vertrauens, für ihre erweiterte Tätigkeit einer
genauen Kenntnis der augenblicklichen Marktverhältnisse; darum müßten
die 10 Mill. durch das Privatkapital aufgebracht und den Inhabern der
Bank-Anteilscheine eine stimmberechtigte Vertretung eingeräumt werden.
Die Bank sollte mithin eine durch einen königlichen Präsidenten geleitete
Staatsanstalt bleiben — denn einer Privatbank wollte Rother die Depo-
siten der Gerichte nimmermehr anvertrauen — doch zugleich so unab-
hängig gestellt werden, daß sie durch den Ausschuß ihrer kaufmännischen
Teilhaber gefährliche Zumutungen eines leichtsinnigen Finanzministers
jederzeit abweisen konnte.
Rothers Vorschläge erschienen schüchtern, fast ängstlich gegenüber den
Bedürfnissen des so mächtig angeschwollenen Verkehres. Doch ihr Grund-
gedanke war gesund, er entsprach dem volkstümlichen Geiste dieser Mon-
archie, die ja immer ihr Bestes geleistet hatte, wenn ihre starke Staatsgewalt
mit den freien Kräften der Nation zusammenwirkte. Gleichwohl erhob sich
von allen Seiten her leidenschaftlicher Widerspruch gegen die Pläne des
Bankpräsidenten. Schön polterte in Briefen, die fast nur noch aus
Schimpfwörtern bestanden, wider die Unwissenheit, die Anmaßung, die
durch Tollheit grandiose Verrücktheit des Kommis Rother und seiner
Juden. Der Grimmige lebte immer noch in den traurigen Erinnerungen
des Jahres 1806; er fürchtete, ein Bataillon Franzosen in Trier würde ge-
nügen, um die 10 Mill. Banknoten sofort zu entwerten. Andererseits hatte
der erfindungsreiche Bülow-Cummerow den Gedanken einer großen pri-
vilegierten, aber vom Staate unabhängigen Nationalbank aufgebracht, die
mit 25 Mill. Kapital ausgerüstet, Hypotheken-, Giro-, Zettelbank, alles
in allem sein sollte. Er verteidigte seinen Plan in zahlreichen Schriften,
die er alle durch die gewandte Feder seines Neffen Killisch v. Horn aus-
arbeiten ließ, und erlangte die freudige Zustimmung Rönnes, dem nie-
mals ein Plan zu nebelhaft war. Auch der Finanzminister Flottwell ließ
sich überzeugen, er war Neuling im Bankwesen, wollte für den Staats-
haushalt keine gefährlichen Verpflichtungen übernehmen und hörte gläubig
zu, wenn ihm einige Berliner Börsenmänner Wunderdinge von der ge-
planten Nationalbank erzählten. Der König selbst schien anfangs, wie so
oft schon, ganz durch Rönnes feurige Beredsamkeit gewonnen zu sein.
Dem alten Rother ward unheimlich zu Mute. Er fühlte längst,