Revolution in Athen. 533
So ging eine köstliche Zeit verloren, die Gesandten der drei Schutz-
mächte hetzten und wühlten ungestört. Am 15. Sept. 1843 brach endlich
eine Soldatenmeuterei aus. Oberst Kalergis, ein erklärter Anhänger der
russischen Partei, führte seine Truppe gegen das Schloß, und der er-
schreckte König ließ sich das Versprechen einer Verfassung abtrotzen. Als-
bald ward die Verheißung vom Altane des Palastes herab verkündigt,
unter donnernden Zitorufen, in Gegenwart der fremden Gesandten. Be-
amte und Heer beschworen im voraus das Syntagma, dann trat eine
Nationalversammlung zusammen, um die beschworene Verfassung nach-
träglich zu schaffen. Gewiß stand Katakazi hinter der Verschwörung, auch
Lyons und Piscatori hatten nachgeholfen; und ebenso gewiß wollten die
Empörer den katholischen König entthronen, eine Absicht, die nur durch die
rasche Zusage der Verfassung vereitelt wurde. Da der Aufruhr mithin
seinen eigentlichen Zweck verfehlt hatte, und der Zar vor der Welt doch
unmöglich als Beschützer einer Konstitution erscheinen durfte, so wurde
Katakazi unter lauten Kundgebungen des kaiserlichen Zornes abberufen,
nachher aber in Rußland ganz unbehelligt gelassen. Der Petersburger Hof
gab sich fortan den Anschein, als ob er mit diesen verworfenen Hellenen
nichts mehr zu tun haben wollte; er ließ sich in Athen nur noch durch
einen Residenten vertreten, und Nesselrode sagte sardonisch lächelnd: die
griechische Verfassung wird ganz abscheulich, aber eine, die norwegische, ist
doch noch schlechter.) Inzwischen brachen über das unselige Land alle
Plagen der parlamentarischen Korruption herein. Die natürliche Bered-
samkeit der Hellenen entlud sich in endlosen Wortkämpfen; eine Schar
von Palikaren mußte das Haus der Nationalversammlung bewachen, um
die Masse der Gunstjäger und Stellensucher, die sich schreiend und mark-
tend an die Volksvertreter herandrängten, in Ordnung zu halten.
Wie zu erwarten stand, geriet das neue Syntagma ganz nach dem
Sinne des unerfahrenen Radikalismus, nach der doktrinären Pariser
Schablone. Der russische Ursprung dieser unsauberen Revolution verriet
sich jedoch sehr deutlich in dem einstimmig angenommenen Artikel, der von
den künftigen Königen das griechische Glaubensbekenntnis verlangte. Aller-
dings konnte hier in den Heimatlanden des Cäsaropapismus nur ein
orthodoxer König als ein wahrhaft nationaler Fürst gelten; dem Hause
Wittelsbach war aber das Thronfolgerecht schon ohne konfessionelle Be-
schränkungen übertragen, durch die Verträge der Schutzmächte und durch
die Zustimmung des hellenischen Volks. Wie durfte man solche Verträge
jetzt einseitig ändern? König Ottos Ehe blieb kinderlos; der ersehnte
Konstantinos kam nie zur Welt. Prinz Luitpold, der nächstberechtigte
Bruder, erklärte als treuer Katholik entschieden, daß er weder selbst über-
treten, noch seinen Söhnen einen Glaubenswechsel gestatten würde;
*) Liebermanns Bericht, 16. April 1844.
**) Küsters Bericht, München, 30. März 1844.