Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

534 V. 7. Polen und Schleswigholstein. 
und der bekümmerte Vater König Ludwig sendete den Fürsten Wallerstein 
nach London und Paris, um irgend eine Bürgschaft für das Erbfolge— 
recht der Wittelsbacher, sowie für die monarchische Gewalt der griechischen 
Krone zu erlangen. Beide Westmächte gaben nur unbestimmte Zusiche— 
rungen, und die Fortsetzung der diplomatischen Reise bis nach Athen unter— 
blieb schließlich, weil Wallerstein selbst einsah, daß die Anwesenheit eines 
Bavaresen die erhitzten Hellenen noch mehr reizen würde.“) Unterdessen 
waren die drei Schutzmächte zu einer Konferenz zusammengetreten; und 
hier sagte Brunnow unschuldig: durch den nachträglichen Beschluß über 
das orthodoxe Bekenntnis der Hellenenkönige würde das Erbfolgerecht der 
Wittelsbacher doch nicht beeinträchtigt. Er begriff gar nicht, wie man der 
griechischen Nationalversammlung das Recht zu solchen Beschlüssen be— 
streiten könne. Ebenso unschuldig schrieb Nesselrode nach München: 
„Haben nicht alle unsere Verhandlungen den Zweck gehabt, den Thron 
Griechenlands den Nachkommen des Königs von Bayern zu sichern? 
Und würde dieser Gedanke nicht eine neue Verbürgung erhalten, wenn man 
bestimmte, daß der künftige Souverän sich mit seinem Volke durch die 
Bande des gleichen Glaubens vereinigen muß? An dem Kaiser von Ruß- 
land ist es sicherlich nicht, eine Notwendigkeit zu bestreiten, worüber alle 
Griechen einstimmig sind.“?) 
Die Konferenz wußte sich nicht zu helfen, und schließlich riet ihr 
der König von Preußen, der jeden Eingriff in die Rechte des bayrischen 
Hauses verhindern wollte, die Schutzmächte möchten die förmliche Ent- 
scheidung der konfessionellen Frage vorläufig vertagen.*) So geschah es 
auch. Die Schutzmächte begnügten sich, einige fromme Münsche für die 
Wiederherstellung der Ordnung in Hellas kundzugeben; um so nachdrück- 
licher sprachen sie die Erwartung aus, daß ihr Schützling seine Geldver- 
pflichtungen erfüllen und auf alle Gebietserweiterungen verzichten müsse. 
Ihr gemeinsames Kind sollte in seiner Nichtigkeit verharren — in diesem 
Gedanken fanden sich die drei liebevollen Erzeugermächte zusammen; und 
salbungsvoll schrieb Aberdeen seinem russischen Freunde: wichtig ist nur, 
jeden Angriff der Griechen auf die Türkei zu verhindern, darum wollen 
wir uns beiderseits dem hellenischen Parteitreiben fern halten „und wahr 
gegeneinander bleiben, mein teuerer Brunnow“.T) England und Ruß- 
land forderten nunmehr die Abtragung der Schulden so ungestüm, daß 
der griechische Finanzminister der Nationalversammlung erklären mußte, 
ein Budget könne er überhaupt nicht vorlegen, und König Otto sich schließlich 
genötigt sah, sein Heer auf 5000 Mann herabzusetzen. Mehr — meinte 
*) Liebermanns Berichte, 26. Dez. 1843, 23. Jan., 13. Juli 1844. 
**) Bunsens Bericht, 23. Febr. Nesselrode, Weisung an Viollier in München, 
22. Febr. (a. St.) 1844. 
***) Thiles Bericht, London, 18. April 1844. 
I7) Aberdeen an Brunnow, 18. Okt. 1844.
	        
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