Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Bundesbeschluß über den Offenen Brief. 585 
und genehmigte, daß ein Bundesbeschluß die Rechte Deutschlands in mil- 
der Form verwahren, aber zugleich dem unleidlichen Halli-Halloh der 
Liberalen scharf entgegentreten solle. Sein getreuer Münch, der ganz 
dänisch gesinnt war, mußte also, wie Canitz spottete, „diesmal aus dem 
magischen Kreise der Inkompetenz-Erklärungen hinaustreten“ und das Ge- 
schäft mit einer in Frankfurt ganz unerhörten Eile betreiben.*) Man konnte 
nicht anders. Die Landtage, die Presse, zahllose Eingaben aller Art be- 
stürmten den Bundestag. Als „ein ernstes Zeichen der Zeit“ erwähnte der 
preußische Bundesgesandte auch die Zuschrift eines begeisterten Berliner 
Studenten, der sich späterhin noch einen guten Namen machen sollte. 
Dieser junge Mann riet dem Bundestage, schleunigst einen Bundeskom- 
missär nach Kopenhagen zu senden, und entschuldigte seine Vermessenheit 
„mit dem Beispiel der Jungfrau von Orleans, die auch nur eine arme 
Schäferin gewesen sei, aber ihr Vaterland doch gerettet habe.“ ) 
Frhr. v. Pechlin, der dänische Bevollmächtigte, der im Herzensgrunde 
doch deutsch empfand und dem Offenen Briefe nur sehr ungern zugestimmt 
hatte, gab die versöhnlichsten Erklärungen: er beteuerte heilig, seinem Kö- 
nige sei nie in den Sinn gekommen, die Rechte des Deutschen Bundes zu 
verletzen; er gestand sogar zu, daß die beiden Herzogtümer alle öffentlichen 
Rechtsverhältnisse — bis auf die Provinzialstände und wenige andere In- 
stitutionen — miteinander gemein hätten. Da nun auch der Offene Brief 
selbst noch nichts anordnete, sondern nur die persönlichen Ansichten des 
Königs kundgab, so sprach der Bundestag am 17. Sept. die vertrauensvolle 
Erwartung aus: der König würde bei endgültiger Feststellung dieser Ver- 
hältnisse die Rechte aller und jeder, insbesondere die Rechte des Bundes, 
der Agnaten und der holsteinischen Landstände beachten. Zugleich forderte 
er die Regierungen auf, den leidenschaftlichen Ausbrüchen einer anerken- 
nenswerten patriotischen Gesinnung „gehörige Schranken zu setzen“. Alle 
stimmten zu, auch Pechlin selber. Nur Kurhessen wollte die Verwarnung 
der deutschen Patrioten schärfer gefaßt sehen; der Luxemburger endlich 
behauptete keine Weisungen zu haben, offenbar weil er fürchtete, bald 
könnte auch Luxemburg an die Reihe kommen. Wie matt und schüchtern 
der Beschluß auch klang, ganz leer war er nicht. Der Bundestag hatte sich, 
allen seinen Gewohnheiten entgegen, doch nicht wieder für unzuständig 
erklärt, er behielt sich doch ausdrücklich seine Rechte vor und erlangte also 
zum ersten Male einiges Lob bei den gemäßigten Parteien. 
König Christian merkte auch selbst, daß er mit der Politik des Offenen 
Briefes nicht mehr weiter kam; er fühlte sich tief unglücklich und konnte 
seine Stimmung sogar vor Schoultz-Ascheradens blöden Augen nicht ganz 
verbergen.***) Gegen den preußischen General Wrangel beklagte er sich 
*) Canitz an Rochow, 7. Sept. Dönhoffs Berichte, Frankfurt, 22. Aug., 2. Sept. 1846. 
77) Dönhoffs Bericht, 17. Sept. 1846. 
*““) Schoultz v. Ascheradens Bericht, 4. Nov. 1846. 
 
	        
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