Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

586 V. 7. Polen und Schleswigholstein. 
bitterlich: wie ihn die Deutschen so ganz verkennen könnten; niemals hätte 
er daran gedacht, Schleswigholstein von Deutschland loszureißen. Im 
Juni 1847 sendete er einen alten Freund, den Grafen Löwenstern, der 
seinem Könige diesen letzten Ritterdienst nicht verweigern mochte, nach 
Berlin, um wegen der Erbfolgefrage Rat einzuholen. Canitz erwiderte: 
das einzige Mittel, den Gesamtstaat zu erhalten, sei die Aufhebung des 
Königsgesetzes und das Königtum der Augustenburger. Das wies der 
alte Däne weit von sich; am Wiener Hofe aber wurde ihm, offenbar nach 
Verabredung, gleich nachher dieselbe Antwort erteilt.“') Nunmehr hoffte 
König Christian sein Ziel auf einem neuen, noch seltsameren Umwege zu 
erreichen; er wollte seinem Gesamtstaate — nach dem Vorbilde des 
Preußischen Vereinigten Landtags, dessen Verhandlungen er mit gespann- 
ter Aufmerksamkeit verfolgte — einen gemeinsamen Reichstag gewähren. 
Mit Hilfe der dänisch gesinnten Mehrheit dieses Reichstags dachte er dann 
späterhin die Thronfolge der weiblichen Linie im ganzen Reiche durchzu- 
setzen. In was für Künsteleien verlor sich wieder die Überklugheit des 
Monarchen. Nach allem, was geschehen, mußte die Thronfolgefrage jetzt 
vor der Verfassungsfrage entschieden werden; denn solange noch nicht fest 
stand, ob der Gesamtstaat selber fortdauern würde, konnten die Schles- 
wigholsteiner einer Gesamtstaatsverfassung doch schwerlich zustimmen. 
Während der nächsten Monate ließ der König seinen Verfassungsplan 
durch Carl Moltke und den unentbehrlichen Adler ausarbeiten. Da 
starb er plötzlich nach kurzer Krankheit am 20. Januar 1848, wohl der 
geistreichste aus der langen eintönigen Reihe der Oldenburgischen Könige, 
und doch ein Mann des Unheils, ein Herrscher, der die Macht seines 
Hauses selbst zerstörte, weil er das Recht seiner Völker mißachtete. 
Die Todesnachricht erschütterte das Land im Innersten. Die Dänen 
hofften, die Deutschen fürchteten alles von dem Thronfolger. Nach aller 
Wahrscheinlichkeit war Friedrich VII. der letzte König seines Stammes; 
denn er hatte damals schon ein Liebesverhältnis mit der Putzmacherin 
Rasmussen angeknüpft, und dies gemeine Weib, die natürliche Bundes- 
genossin der Kopenhagener Demokratie, hielt ihn so fest umstrickt, daß eine 
dritte fürstliche Heirat fast unmöglich schien. Mit albernem, läppischem 
Zeitvertreib brachte er seine Tage dahin und fühlte sich wohl in schlechter 
Gesellschaft, die freilich nicht murren durfte, wenn es ihm plötzlich einfiel, 
den Fürsten herauszukehren. Roh, ungebildet, grob sinnlich, jähzornig, 
nicht ohne Verstand und derben Humor, lernte er niemals ernsthaft zu 
arbeiten. Als eingefleischter Däne haßte er alles Fremde; die ausgelassene 
Lustigkeit der Matrosen, die in der C4°8s Halle und in den anderen Spe- 
lunken an der Kopenhagener Knüppelbrücke ihre Späße trieben, behagte 
  
*) Berichte von Graf Platen, Berlin, 11. Juni; von Graf Arnim, Wien, 14. Juni 
1847.
	        
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