Full text: Friedrich der Vorläufige, die Zietz und die Anderen.

manchmal empört, manchmal nur belustigt. Das alte Bild. 
Die Nationalversammlung tut so lange schnippisch oder höh- 
nisch, bie sie dem Bergewaltiger eines schönen Tages erliegt. 
Die Unabhängigen gehen aufs Ganze. Oie Nationalversamm- 
lung mitsamt der Regierung aber taumelt von Halbheit zu 
Halbheit. Noch erklärt Scheidemann heute mit vollem Brust- 
ton sich gegen das Rätespstem und versichert, er werde nicht 
umlernen, aber Seger leiert eintönig — und so unbeirrt wie 
ein Schlafwandler — seinen Sang von dem nahen Siege des 
Weltbolschewismus herunter. Scheidemann werde schon noch 
umlernen. Kurz vor dem Kriege noch sei er gegen den Krieg 
gewesen und habe dann am 4. August schnell umgelernt. Im 
Kriege habe er nach deutschen Siegen erklärt, derjenige sei 
ein Narr, der nicht an ein Verrücken der Grenzsteine glaube, 
und später habe er jeden Annexrionsgedanken abgewiesen. 
Kurz vor der Revolution habe er ein Regierungsprogramm 
gegen die Revolution mit entwerfen und sie nachher doch 
mitgemacht. So wirft Seger spachtelweis seine Farben- 
tupfen auf die Leinwand, und Herr Scheidemann wird immer 
deutlicher, wird greifbar ähnlich. Es ist aber nicht recht, ihn 
allein so zu malen. Oie ganze Regierung, das ganze Parla- 
ment ist so. Willenlos vor jedem Oränger. Biesmarck 
sagt in seinen Erinnerungen, Parlamente seien stets auch 
leichter zu betrügen als Monarchen, einzig und allein den russi- 
schen Zaren vielleicht ausgenommen. Geradezu ein Muster 
dafür sei das englische Unterhaus, das noch durch jedes Blau- 
buch sich habe einwickeln lassen. Am klarsten spricht heute 
vielleicht Graf Brockdorff-Rantzau, dessen Programm zur 
Reform des auswärtigen Dienstes so vernünftige Gedanken 
enthält, daß das Geschwätz der Unberufenen über diesen 
Punkt nun hoffentlich aufhören wird. Er will das „Regional- 
System“ einführen, für jedes Land einen besonderen Stab, 
der dauernd dieses Gebiet bearbeitet, während wir bisher auf 
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