Full text: Friedrich der Vorläufige, die Zietz und die Anderen.

virat im Kultusministerium versetzte. In der merkwürdigen 
Amtsehe Hoffmann-Haenisch war Haenisch die „bessere 
Hälfte“ und — das „schwächere Geschlecht“. Er unterschrieb 
die tollsten Erlasse des Zehngebote-Hoffmann mit, trug mit 
der Unterschrift auch die Verantwortung für all das schamlose 
Zeug; dann aber wandte er sich hinter Hoffmanns Rücken 
mit einer Leidensmiene zum Publikum und rang die Hände. 
Ein Snob des Sozialiemus, der sich auf seine „Kultur“ so viel 
zugute tut wie der Genosse Südekum einst auf seine 12 Paar 
Lackschuhe im Stiefelschrank mit Kaltluftventilation. Ein 
Schönredner des Sozialismus, der auf die Kritiklosen wirkt 
wie der Rattenfänger auf die Kinder von Hameln. Za, die 
Mädchen, die haben's so gerne, — wenn Haenisch am Redner- 
pult steht; schon so mancher zwanzigjährigen Seminaristin 
hat er nicht das Herz, aber den Kopf verdreht. Wenn man 
ihn hört, dann ist der Sozialismus etwas ganz anderes, als 
er sich in der Praxie zeigt, dann ist er etwas so Einleuchtendes, 
Verbindliches, Allerliebstes; mit einer fabelhaften Gewandt- 
heit balanciert Haenisch, wie der Kellner das Tablett, seine 
Schüssel voll glitzernder Schlüsse über den Köpfen der Um- 
sitzenden. Er ist mehr Equilibrist denn Charakter. Heute hat 
er das Gesetz über die Aufhebung der geistlichen Ortsschul- 
inspektion zu begründen. Er tut es in seiner bekannten 
chevaleresken Art mit liebenswürdiger Verbeugung vor dem 
Zentrum. Aber das Zentrum ist gegen solche „Faxen“" gefeit. 
Namens der Partei — die übrigens, wie alle anderen, der 
Aufhebung der veralteten Inspektion zustimmt — verliest 
Abgeordneter Herold trocken die Bedingung, unter der das 
Zentrum seinerzeit überhaupt in die Regierung eintrat: 
Erhaltung der konfessionellen Volksschule. 
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