soll die Herrschaft der neuen drei Marken nicht währen, wird
gesagt. Wenn man erst darüber einig ist, was an Stelle von
Adlern und Kronen als republikanische Hoheitezeichen ein-
geführt werden soll, die phrygische oder die Schiebermütze,
die Handgranate oder der geborstene Fabrikschlot, dann soll
es auch endgültig republikanische Briefmarken geben. Es
täte aber not, unter den Grundrechten des deutschen BVolkes
in der Verfassung auch dieses festzusetzen, daß nicht ausschließ-
lich die jetzige schwarz-rote Mehrheit die Entwürfe vorgelegt
bekommt. AUber den antisezessionistischen privaten Kunst-
geschmack des Kaisers hat sich jeder Bierphilister aufgeregt,
obwohl Wilhelm II. in amtlicher Eigenschaft anders handelte
und den Sezessionisten Bruno Paul an die Spitze des Kunst-
gewerbemuseume in Berlin berief. Zetzt droht uns der Absolu-
tismus des Parlaments in Kunstdingen. Gegen den Kunst-
Pfeiffer des Zentrums haben wir nichts einzuwenden, er-
ist noch ein wahrer Hellene im Bergleich zu manchen anderen;
über Nuschke als politischen Redakteur eines demokratischen
Blattes ist uns nichts bürgerlich Unanständiges bekannt; und
Wolfgang Heine zeigt viel persönlichen Geschmack, indem er
jedeen Verkehr mit den Unabhängigen und jede Antwort auf
Adolf Hoffmannsche Zwischenrufe ablehnt. Aber die Gesamt-
beit der Botokuden im Reichstage hat doch seinerzeit sogar die
wundervollen Wandgemälde Angelo Zanks abgelehnt und,
nachdem sie aus den Taschen der deutschen Steuerzahler bereits
bezahlt waren, zu dem Gerümpel in die Bodenkammer stellen
lassen. Die durchaus aristokratischen Republiken des italie-
nischen Renaissancezeitalters brachten uns eine Blüte künst-
lerischer Kultur. Demokratien aber sind in diesen Dingen
immer spießerhaft; oder täppisch und kritiklos wie ein Parven#.
Zu den Grundrechten des deutschen Volkes gehört es leider
noch nicht, von Geschmacklosigkeiten verschont zu bleiben.
Aber sonst hat man alles Mögliche in das Kapitel der Grund-
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