scheint am Rednerpult. Oie Geschichte wird zum reinen
Kolportageroman. Oieser Naumann steht in keinem Staats-
handbuch. Er war schon als Korpsstudent anders als die
Kommilitonen, wurde dann, wie es heißt, Mönch, Schau-
spieler, Theateragent, Pressedezernent, Gesandter in partibus
infidelium. Ein moderner Odpsseus, ein amüsanter Plau-
derer, in seiner Art — in einer ganz demokratisch-sozialdemo--
kratischen Umgebung — auch ein deutscher Patriot. Nur
hätte man vor dem November 1918 seinesgleichen wohl
kaum am Regierungstisch gesehen.
Das Gespenst
Weimar, 15. August
In jedem Hause ist ein Skelett, sagt ein englisches Sprich-
wort. «
Man kann es vergessen. Man kann fröhlich und guter Dinge
sein oder kann einander zur Kurzweil die Schädel zerschlagen.
Aber plötzlich stöhnt der Wind, irgendwo klappern Knochen,
und das Gespenst schlürft über die Teppiche.
Auch über den roten Bodenbelag im Hause der National-
versammlung. Monate bindurch ist es ferngeblieben. Man
hatte andere Dinge zu tun. Oie Regierung, die vergeblich
uns einzureden versucht, sie werde von der Rechten provo-
ziert, hat gleich zu Beginn, im Februar, wochenlang nichts
anderes im Sinne gehabt, als Parteireden über das fluch-
würdige alte System zu halten, den „Hasardeur“ Ludendorff
anzupöbeln, das A##ewiederkommen der Monarchie auszu-
rufen. Sie hat, gedrängt von ihrem schlechten Gewissen, dann
wochenlang ein Scherbengericht über die angeblichen Frie-
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