Full text: Friedrich der Vorläufige, die Zietz und die Anderen.

log die Tribüne. Von dem jetzt bei den Demokraten gelan- 
deten Abgeordneten Dr. Friedberg sagte einst Liebermann 
v. Sonnenberg, er habe einen wehmütigen Zug um die Beine. 
Dr. Preuß hat diesen Zug um den Mund. Wenn er ibn aber 
nicht schon hätte, so hätte er ihn jetzt bekommen, denn „seinen“ 
Verfassungsentwurf, dieses deutsch-demokratische Prokrustes- 
Bett für das Reich, hat ihm das Staatenhaus böse verschandelt. 
So erleben wir denn ein Schauspiel, das entschieden den Reiz 
der Neuheit hat: Der Regierungsvertreter Dr. Preuß 
kritisiert die Regierungsvorlage in Grund und Boden. 
Schön findet er an ihr in seiner Autoreitelkeit nur das, was 
er daran entworfen hat. Was das Staatenhaus aber hinein- 
korrigiert habe, das, so wünscht er, möchte die National- 
versammlung wieder herausstreichen. Auf die eigenen Ge- 
sandten und die eigenen Briefmarken haben die größeren 
Eliedstaaten verzichtet, nicht aber auf ihre Rechte in Heer 
und Kirche und Schule, vor allem nicht auf die Souveränität 
in ihren eigenen Grenzen; kein Reichsgesetz dürfe gegen ihren 
Willen diese Grenzen verändern. Das große Zerlegemesser, 
das Dr. Preuß gegen Preußen schon gezückt hatte, ist ihm 
also vorerst aus der Hand geschlagen worden; er erbittet es 
aufs neue von der Nationalversammlung, die ja als einzige 
verfassunggebende Instanz sich um die Einwände des 
Staatenhauses nicht zu kümmern braucht. Aber auch so schon 
ist Preußens Stellung dahin. Nach dem Entwurf gehört zu 
Verfassungsänderungen im künftigen Reicherat, jetzigen 
Staatenhaus, ehemaligen Bundeerat, eine Zweidrittelmehr- 
heit, und da Preußen nicht mehr als ein HOrittel der 
Stimmen erhalten darf, obwohl es vier Siebentel der 
deutschen Bevölkerung umfaßt, kann es also jederzeit 
überstimmt und majorisiekt werden. Der Riese ist 
erlegt. Die Kleinen und die Zwerge balgen sich. 
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