— 1 —
ist in einem solchen Falle der Monarch behindert, aber Monarch
ist er ipso jure mit dem Wegfalle seines Regierungsvorgängers ge-
worden. Das Staatsministerium, welches bis zur Erfüllung der dem
Thronerben obliegenden ersten Pflicht die Staatsgeschäfte führt, ist
echter Regent im Namen des behinderten Monarchen. '!)
3. Ebensowenig wie in den vorgenannten Fällen kann von einem
Interregnum dann gesprochen werden, wenn der zur Thronfolge ge-
langende Monarch eines Gliedstaates durch die übergeordnete Gewalt
eines Bundesstaates am Regierungsantritte verhindert wird, wie in
Braunschweig seit dem 18. Oktober 1884.2) Das sehr interessante
braunschweiger Gesetz, die provisorische Ordnung der Regierungs-
verhältnisse bei einer Thronerledigung betreffend, vom 16. Februar
1879, hatte in Voraussicht der nachmals wirklich eingetretenen „Ver-
hinderung des Thronfolgers am Regierungsantritte“ für diesen Fall
eine provisorische Regierung durch einen ad hoc zu bildenden Regent-
schaftsrath ($ 2ff) und weiterhin die Einsetzung einer „Regentschaft“
eines deutschen Prinzen ($ 6) bestimmt. Beide Organe sind in Wirk-
samkeit getreten, beide aber bedeuteten und bedeuten nichts anderes
als Regenten im Sinne des deutschen Staatsrechts für einen thatsäch-
lich an der Ausübung seines Monarchenrechts — ob zu Recht oder
zu Unrecht, ist bekanntlich sehr bestritten?) -— gehinderten
Monarchen.
4. Ein Interregnum tritt ferner nicht ein als Folge einer ge-
waltsamen Thronentsetzung des Monarchen, also bei einer Revo-
G. Meyer, Deutsches Staatsrecht, (3. Aufl.) S. 225 und die dort Citt.; ScHuLze,
Preuss. Staatsrecht, I. $ 63, welcher hier inkorrekt von einer „Zwischenherrschaft“
des Ministeriums spricht.
1) Nicht streitet hiergegen der Wortlaut der angeführten Stelle der belgischen
Verfassung, welche Volkssouveränetätsgedanken widerspiegelt.
2) Richtig Hancke, Regentschaft und Stellvertretung des Landesherrn, S. 21:
PETERS, Regentschaft und Regierungsstellvertretung S. 21; Kaur in der Allg. Zeitg.
(1892) Nr. 228. — v. KıgcuenHeIm, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts $. 195 f. be-
hauptet, dass im deutschen Reiche der ipso jure = Anfall der Krone eines Glied-
staates durch besondere Verhältnisse ausgeschlossen sein könne, wie kürzlich die
braunschweiger Frage gezeigt habe. Diese Behauptung entbehrt aller und jeder
Begründung. v. KIRCHENHEIM scheint — es geht aus dem Wortlaute seiner Be-
merkungen auf S. 196 nicht mit Bestimmtheit hervor — in Braunschweig gegen-
wärtig ein Interregnum anzunehmen. — Unklar v. OEsrFELD, Zur Frage der Regent-
schaft, S. 26.
3) Vgl. Hancke, S. 22; Perers, S. 21. — Die reiche Broschürenlitteratur über
die braunschweiger Erbfolgefrage ist meist parteipolitisch gefärbt und juristisch
werthlos. Eine — übrigens sehr anfechtbare — rechtliche Deduktiongibt W. FRAnckeE
Die Nachfolge in Braunschweig als Frage des Rechts. Berlin 1834.