Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

Gelegenheiten, ebenso wie in Koblenz, in reizender Weise die Wirtin. 
Höchst amüsant war es zu beobachten, wie auch mein Großvater an 
beiden Orten sich nur als Gast betrachtete. 
Nach dem Tode meines Großpvaters blieb die Kaiserin, was ich 
mit tiefem Dank begrüßte, zunächst in Berlin, denn sie tat, was in 
ihren Kräften stand, um ihrem Sohne und mir die schwere Zeit der 
neunundneunzig Tage zu erleichtern. Ein ergreifender Augenblick 
war es, als die Fahnen der Garde, die bis dahin im Palais meines 
Großvaters aufgestellt gewesen waren, nach meinem Reglerungs- 
antritt in das Berliner Schloß überführt werden mußten. Umflorten 
Blickes sah sie dem feierlichen und für sie so wehmütigen Schauspiel 
zu. Denn die weimarische Prinzessin war zur kernpreußischen Königin 
und deutschen Kaiserin geworden. Daß sie daneben für mich die 
beste aller Großmütter gewesen ist, bleibt ihr bis an mein Ende 
unvergessen. 
III. 
Aus dem Kreise Kaiser Wilhelms I. hat mir die nun auch ver- 
ewigte Großherzogin Luise von Baden, Kaitser Wilhelms I. einzige 
Tochter, persönlich am nächsten gestanden. Sie war eine seltene Frau, 
tief religiös, fest im evangelischen Glauben, aber durchaus tolerant, 
was oft mißverstanden worden ist. Sie zeigte von meiner Kindheit 
an große Zuneigung für mich, und ich meinerseits habe bis zu ihrem 
Tode ihr Kiebe, Vertrauen und Ehrerbietung entgegengebracht, sie 
auch durch schriftliche Mitteilungen an allem, was mein Leben und 
Schaffen betraf, teilnehmen lassen. Sie besaß beträchtliche polktische 
Begabung und ein großes organtsatorisches Talent, ausgezeichnet 
verstand sie es, die rechten Menschen an den rechten Platz zu stellen- 
und ihre Kräfte dem Mutzen der Allgemeinheit dienstbar zu machen. 
Nicht immer anerkannt, hatte sie es trefflich gelernt, ihr Preußen- 
tum mit dem badischen Wesen zu verbinden und sich zu einer vorbild- 
lichen Landesmutter entwickelt. Bis zuletzt nahm sie, unterstützt von 
106
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.