Gelegenheiten, ebenso wie in Koblenz, in reizender Weise die Wirtin.
Höchst amüsant war es zu beobachten, wie auch mein Großvater an
beiden Orten sich nur als Gast betrachtete.
Nach dem Tode meines Großpvaters blieb die Kaiserin, was ich
mit tiefem Dank begrüßte, zunächst in Berlin, denn sie tat, was in
ihren Kräften stand, um ihrem Sohne und mir die schwere Zeit der
neunundneunzig Tage zu erleichtern. Ein ergreifender Augenblick
war es, als die Fahnen der Garde, die bis dahin im Palais meines
Großvaters aufgestellt gewesen waren, nach meinem Reglerungs-
antritt in das Berliner Schloß überführt werden mußten. Umflorten
Blickes sah sie dem feierlichen und für sie so wehmütigen Schauspiel
zu. Denn die weimarische Prinzessin war zur kernpreußischen Königin
und deutschen Kaiserin geworden. Daß sie daneben für mich die
beste aller Großmütter gewesen ist, bleibt ihr bis an mein Ende
unvergessen.
III.
Aus dem Kreise Kaiser Wilhelms I. hat mir die nun auch ver-
ewigte Großherzogin Luise von Baden, Kaitser Wilhelms I. einzige
Tochter, persönlich am nächsten gestanden. Sie war eine seltene Frau,
tief religiös, fest im evangelischen Glauben, aber durchaus tolerant,
was oft mißverstanden worden ist. Sie zeigte von meiner Kindheit
an große Zuneigung für mich, und ich meinerseits habe bis zu ihrem
Tode ihr Kiebe, Vertrauen und Ehrerbietung entgegengebracht, sie
auch durch schriftliche Mitteilungen an allem, was mein Leben und
Schaffen betraf, teilnehmen lassen. Sie besaß beträchtliche polktische
Begabung und ein großes organtsatorisches Talent, ausgezeichnet
verstand sie es, die rechten Menschen an den rechten Platz zu stellen-
und ihre Kräfte dem Mutzen der Allgemeinheit dienstbar zu machen.
Nicht immer anerkannt, hatte sie es trefflich gelernt, ihr Preußen-
tum mit dem badischen Wesen zu verbinden und sich zu einer vorbild-
lichen Landesmutter entwickelt. Bis zuletzt nahm sie, unterstützt von
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