Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

von Orders zu bedürfen glauben werde, mit dieser Ver— 
tretung, ohne daß es für die einzelnen Fälle einer jedes- 
maligen, besonderen Order bedarf. 
Berlin, 17. November 1887. 
Wilhelm. v. Bismarck. 
An den Prinzen Wilhelm, Königliche Hoheit. 
Wie man sieht, hatte diese Stellvertretung nur untergeordnete 
Bedeutung, sie sollte für die wichtigen Geschäfte nur in den beson- 
deren Fällen der Behinderung des Kaisers eintreten, im übrigen 
war sie auf die Unterzeichnung der Erlasse des Zivil= und des Mili- 
tärkabinetts, also von Offizierspatenten, Beamtenernennungen und 
Vormalien beschränkt, immer unter der Uberschrift: „Auf Allerhöchsten 
Befehl.“ Irgend ein Einfluß auf die Staatsgeschäfte war mir damit 
nicht eingerdumt worden. Die Stellvertretung mußte auch im Falle 
des Hinscheidens des Kaisers sofort erlöschen, da dann automatisch 
die Regierungsgewalt auf den Kronprinzen überging. Eine Ande- 
rung der Thronfolge ist durch diese Order also weder eingeleitet noch 
ist eine solche überhaupt erörtert worden. 
Als mir am folgenden Tage die Stellvertretungsorder mitgeteilt 
wurde, die übrigens gleichzeitig an allen deutschen Höfen nottfizkert, 
aber erst am 8. März 1888 veröffentlicht worden ist, erfuhr ich, daß 
weder das Staatsministerium noch mein Bater vorher von dem 
Schritt verständigt worden waren. Ich begab mich daher alsbald 
zum Kanzler und bat, daß meinem Bater Mitteilung gemacht würde. 
Gürst Bismarck gab dann in meinem Beltsein den Befehl, diese offi- 
zielle Mitteilung zu machen, und versprach mir auch, persönlich zu 
schreiben. Zu Hause schrieb ich dann noch selbst an meinen Bater 
und äußerte besonders den Wunsch, daß die Order nie zur Anwen- 
dung kommen möge. Den Brief gab ich meinem Bruder Heinrich 
mit, der in jenen Tagen sich gerade wieder nach San Remo begab. 
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