Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

es auch mein eifrigstes Bemühen seln, das Gebot der Gottes-- und Nächsien- 
liebe in den weiteren Kreisen des Lebens zu erfüllen. — Berufen zu einem 
Bürger des Reiches Gottes will ich dieses Reich, das Reich der Liebe, der 
Wahrheit, der Heiligkeit, der Gerechtigkeit, der Freude und des Friedens aus 
allen Kräften fördern helfen, dazu auf alle leibliche wie geistige Wot meiner 
Brüder mein Auge gerichtet haben, dazu wehren allem gottwidrigen Wesen, 
allem Unlauteren und Unwahren, dazu pflegen alles Göttliche und sittlich 
Gute, alles, was zur Bildung des Geistes und Herzens dienen kann, dazu 
endlich fördern helfen alle segensreichen Institutionen des Gemeinwesens, vor- 
nehmlich den Bau der christlichen Kirche. — Ich weiß, hohe und schwere Auf- 
gaben warten meiner in meinem zukünftigen Leben, auch bin ich mir bewußt, 
daß Gott einst Rechenschaft von mir fordern wird, ob und wie ich mefnen 
Christenberuf erfüllt habe, doch der Gedanke daran soll mich nicht mutlos 
machen; wohl aber will ich ihn mir zur Bewahrung vor sedem Hochmut 
dienen lassen, vornehmlich aber jetzt zur ernsten Mahnung, treu und gewissen- 
baft die Zeit meiner Zugend zur Ausbildung der mir von Gott verliehenen 
Gaben und Kräfte zu benutzen, treu im Gehorsam gegen meine Lehrer, immer 
gerichtet den Blick auf Gott und Christus. Seinem Vorbilde will ich nach- 
folgen, Seiner Liebe, Heiligkeit und Wahrheit nachstreben, und dazu den 
Vater bitten um Seinen Heiligen Geist. Ja, das walte Gott, daß ich also 
wandeln möge als ein Christ, und daß, so ich in meinen heiligen Entschlie- 
ßungen sollte wankend werden, die Erinnerung an diese Stunde mich immer 
werde darin stärken. Das walte Gott, daß ich im Glauben an meinen Hei- 
land und Erlöser freudig von hinnen scheiden könne in der Hoffnung auf ein 
ewiges seliges Leben! Amen. 
Nr. 4. 
(Zu Seite 216.) 
Brinz Wilhelm an Kaiserin Augusta. 
Reichenhall 27. VI. 1886. 
Liebe Großmamal 
Endlich bin ich imstande, im Gefühl der wiederkehrenden Kraft und 
Gesundheit Dir, — wie ich bisher nur telegraphisch gekonnt — auch brieflich 
meinen herzlichsten Dank für Deine liebende Sorge und Dein warmes Uit- 
gefühl zu Füßen zu legen. Es war eine sehr schwere Brüfung für mich, 
weniger das Leiden selbst als die daraus folgende gänzliche Enthaltung von 
aller leistungsfähigen, fördernden Arbeit, zu der mich mein eben erlangter 
Posten berufen. Doppele schwer, da meine Passion für den Dienst so heiß, 
und da zugleich mir die Möglichkelt geraubt ward, vor Großpapa persönlich 
zu zeigen, ob ich das mir anvertraute Amt auszufüllen imstande sei. Um so 
mehr vermißte ich diese WMöglichkeit, da es mir sehr viel darauf ankam 
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