Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

ich mich noch einer Lotterie im Schloß zu Windsor für uns Kinder, 
zu der meine Großmutter als Hauptgewinn einen großen Tragant- 
aufsatz eines englischen Kuchens gestiftet hatte, auf dessen Spitze die 
aus Elittergold gebildete englische Königskrone auf rotbemaltem Kissen 
ruhte. Beim Gutenachtsagen konnte ich stolz meiner Großmutter 
berichten, daß ich so glücklich gewesen sei, den Breis zu gewinnen. 
Da legte sie mir die Hand auf den Kopf, bog ihn zurück, sah mir 
in die Augen und sagte dazu: „That is a good omen, my boy, 
ty always to be good and obedient to your parents, then vou 
will once deserve to their account.““) Ein andermal, als der be- 
rühmte Zahnarzt Dr. Evans mir einen Zahn hatte ziehen müssen — 
eine Operation, bei der ich „very brave“ gewesen sein soll — schenkte 
mir meine Großmutter als Belohnung ein nagelneues goldenes Bfund- 
stück, das ich mein Leben lang sorgsam aufbewahrt habe) erst in den 
Wirren der Revolution ist es mir abhanden gekommen. 
Auch nachdem ich zur Regierung gekommen war, hat sich das 
Berhältnis zwischen meiner Großmutter und mir nicht geändert. 
Sie pflegte mich in der Unterhaltung nach wie vor „my boy“ oder 
„my dear boy“ anzureden, was mir immer eine besondere Freude 
war. Ihr trefflicher Leibarzt Sir James Reid hat mir späterhin 
versichert, daß der Besuch, den ich meiner Großmutter nicht lange 
vor khrem Tode hatte machen können, ihre letzte große Freude ge- 
wesen sei. · 
Die Königin hat ihren Gemahl, den Prince-Consort Albert, 
niemals vergessen und nie aufgehört, ihn zu betrauern. Ich habe es 
daher niemals unterlassen, im Laufe meiner vielen Besuche in England 
das schöne Mausoleum meines Großvaters bei Frogmore zu besuchen, 
sobald ich in Windsor Castle war. Als ich nach der Beisetzung 
  
*) „Das ist eine gute Vorbedeutung, mein Junge. Bemühe dich, immer gut 
und deinen Eltern gehorsam zu sein, dann wirst du dich einst um sie verdient 
machen.“ 
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