württembergische Agrarverhältnisse. 189
„ Ebenso wenig wie das Bürgerrechlisgesetz enthält das neue
Verehelichungsgeselz vom 5. Mai 1852 eine irgendwie des
Redens werthe Beschränkung für gar zu winzige bäuerliche
Niederlassungen. Es fordert allerdings im Gegensatz gegen die
Gesetzgebung von. 1807, welche gar keine Heiralhsbeschränkung
ökonomischer Natur kannle, von dem heirathslustigen Paare die
Nachweisung von mindestens 150 Gulden, beziehungsweise bei
den Gemeinden ersler und zweiter Klasse von 200 Gulden Ver-
mögensbesilz. Eine solche Summe jedoch, mit der sich kaum
in den geringeren Gegenden des Landes ein Morgen Acker kaufen
lässt, die aber in den besten Lagen nicht einmal den Werth
eines Vierlels-Morgen darstellt, mag wohl als eine halbweg ge-
nügende Garantie gegen allzuschnelle Verarmung einer auf
Taglohn zu gründeden Familie angesehen werden; eine Garanlie
für das Fortkommen eines auf den selbsisländigen Betrieb der
Landwirthschaft zu gründenden Hausstands liegt darin nicht,
Offenbar war die Gesetzgebung des alten Herzogthums Würllem-
berg in dieser Beziehung noch sirenger; denn nach ihr war
kein bestimmter Besitz verlangt, sondern es war ganz allgemein
gefordert, dass der Heirathslustige „scheinbarlich darthue, dass
er eine Familie ernähren könne.* Die Behörde, vor der dieser
Nachweis erfolgen musste, halle also eigentlich eine ganz discre-
tionäre Befugniss, Ehen zu verbieten, die ihr ökonomisch nicht
genügend gesichert erscheinen mochten.
Man sieht, diese beiden öffentlich rechtlichen Ge-
setzbesliimmungen bilden keine Schutzwehr gegen allzu kleine
landwirthschaflliche Niederlassungen. Die durch sie gegebenen
Beschränkungen bleiben noch unter derjenigen Grenzlinie, welche
das ökonomische Leben selbst durch die Ernährungsmöglichkeit
einer bäuerlichen Familie setzt. Betrachten wir nun aber auch,
wie das württembergische Privatrecht, und zwar zunächst
diejenigen Bestimmungen desselben, welche von der Erbfolge
und der Erbiheilung handeln, auf die Erhaltung bestehender und
die Bildung neuer Landgüter wirkt. Nur müssen wir hier nicht
bloss das Gesetz mit den verschiedenen Rechtsmitteln, welche es
dem Bürger gewährt, sondern den Rechtszustand selbst ins Auge
fassen, wie er sich aus der Sitte des Volks bildet,. welche die