574 Artikel 37. Die militärische Disziplin ist durch Berordnung zu regeln.
waren, welche der König kraft seiner Kommandogewalt (Verfassung
Art. 46) an die bewaffnete Macht erlassen hat — eine Annahme, die
nicht sowohl in der Entstehungsgeschichte des Art. 37 Satz 2 (oben 570,
572) als in der Tatsache ihre Stütze findet, daß nach den unser Heeres-
wesen beherrschenden Rechtsgrundsätzen die militärische Disziplinargewalt
nicht als eine selbständige, von der Kommandogewalt getrennte Funktion,
sondern lediglich als ein Teil und Ausfluß der letzteren erscheint —,
so folgt, daß diese Disziplinarvorschriften durch Art. 61 RV die Kraft
kaiserlicher Verordnungen gewannen, Abänderungen und Ergänzungen
also sortan nur mehr durch k#iserliche Verordnungen erfahren konnten
(Bayern, wo Art. 61 RV nicht gilt und die dort vorgeschriebene „un-
gesäumte Einführung“ des preußischen Militärrechts nicht erfolgte, val.
oben 565, stets ausgenommen). Es war daher staatsrechtlich nicht
korrekt, wenn die Disziplinarstrafordnung für das Heer vom 31. Oktober
1872 (Preußisches Armee VBl 330), wie geschehen, nicht als kaiserliche,
sondern als königlich preußische Verordnung erlassen und durch inhaltlich
übereinstimmende Verordnungen der Könige von Sachsen und Württem-
berg in diesen beiden Staaten eingeführt, die Angelegenheit mithin so
behandelt wurde, als handle es sich um eine die „Administration,
Verpflegung, Bewaffnung und Ausrüstung“ der Truppen betreffende
Armeeverordnung (Art. 63 Abs. 5 R#V, vgl. Anschütz, Gesetzgeb. Gewalt
90 N. 94, Apel, Die königl. Gewalt auf dem Gebiete des Ehrengerichts-
verfahrens gegen preußische Offiziere (1906, 16). Jeder Zweifel darüber,
daß eine solche partikularistische Handhabung des Verordnungsrechts in
Militärdisziplinarsachen — abgesehen von Bayern — unzulässig ist,
wurde durch das Mil beseitigt, dessen oben 569 wiedergegebener,
den zweiten Satz unseres Artikels ersetzender § 8 die Kompetenz zur
Regelung des militärischen Disziplinarwesens ausdrücklich dem Kaiser
überträgt. Gleichwohl sind auch noch nach Inkrafttreten des RMilE#
die einschlägigen Vorschriften nur für die Marine vom Kaiser, für das
Landheer aber von den einzelnen Kontingentsherren, und zwar für das
sächsische und württembergische Kontingent nach Maßgabe des Art. 63
Abs. 5 RV (s. oben) erlassen worden.
So insbesondere die Bestimmungen über die Ehrengerichte der
Offiziere: V. über die Ehrengerichte der Offiziere im preußischen
Heere vom 2. Mai 1874 (vgl. Laband St R4 189), welche auf dem Wege,
auf welchem sie ergangen (preußischer „Armeebefehl“, d. h. königlicher Er-
laß ohne Gegenzeichnung des Kriegsministers, abgedruckt im Armee VB.)
mehrfach abgeändert und in Sachsen, Württemberg, in ihrem wesent-
lichen Inhalt auch in Bayern durch Verordnungen der betreffenden Kon-