— 200 —
anderen Volke ist die neue Religion so sehr als Erlösung empfunden und
empfangen worden. Die Christen nannten sich „Söhne des Worts“.
Allerdings liegt auch ein Zug der Grausamkeit in dieser Bevölkerung.
Aus dem Jahre 1830 berichtet der berühmte Apostel der Südsee, John
Williams, über eine Schreckensepisode aus dem Kriege zwischen dem
Priesterkönig Tamafainga und dem König Malietoa von Upolu. Die
Bewohner von Aana im Westen jener Insel waren von denen der Nachbar-
insel Manono überwältigt worden, und die Sieger hoben eine weite
Grube aus, die mit Brennholz gefüllt wurde. In das so hergestellte
Feuermeer warfen sie zwei Tage und zwei Nächte hindurch die gefangenen
Alten, Weiber und Kinder, zwischen 200 und 400 unschuldige Wesen.
Eine kreisrunde Fläche mit Korallensand und Holzkohle überdeckt be—
zeichnet noch heute diese Stätte.
Auch genügte jede Kleinigkeit, oft nur ein mißverstandenes Wort,
um einen Krieg anzufachen. Und die Parteiungen zwischen hoch und
niedrig sind erbittertster Art.
Dies erklärt zur Genüge den raschen Niedergang dieser sonst so
glücklich veranlagten Insulaner.
Da sie zu angestrengter Arbeit unfähig sind, so führte das Haus
Godeffroy von den melanesischen Inseln fremde Arbeiter ein, die frei—
willig sich meldeten und oft mehrere Vertragszeiten von je fünf Jahren
hier blieben und mit reichem Lohn auf die heimischen Inseln zurückkehrten.
Zurzeit zählt man 1100 solcher Lohnarbeiter auf Upolu.
Hierbei drängt sich uns eine Betrachtung über das voraussichtliche
Schicksal dieses Völkchens und der Naturvölker überhaupt auf, die nicht
ganz ohne ihre rückwirkende Bedentung ist.
Es heißt darüber in einem unserer kolonialen Blätter:
„Schreiben und lesen können fast alle Samoaner der jüngeren
Generationen, aber es hat sich noch keiner dazu verstanden, Stammbäume
oder Sagen durch schriftliche Aufzeichnungen vor Vergessenheit zu be-
wahren; Europäer mußten daher statt ihrer dieses vollbringen. Sind
erst die Sagen dem Gedächtnis der Eingeborenen entschwunden, so hört
das samoanische Volk auf, ein Volk zu sein, und dann noch fünfzig Jahre
weiter, und kein Vollblutsamoaner bewohnt noch diese Inseln. Die
Stammbäume allein und die Sagen vermögen es, die Samoaner vor
Mischehen mit Weißen und Halbweißen zu bewahren. Bisher noch
wollte jeder seinen Stammbaum nur mit Samoanern aufbauen. Dies