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§. 50.
Auf die Appellation wird von dem Appellationsgericht in Stettin auf
Grund der Akten erkannt. Die Entscheidung erfolgt durch eine aus fünf Mit-
gliedern bestehende Abtheilung, nachdem vor derselben unter Zuziehung eines
Gerichtsschreibers ein mündliches Schlußverfahren stattgefunden hat.
§. 51.
Vor Einsendung der Akten an das Gericht zweiter Instanz erfordert
der Konsul die Erklärung des Angeklagten, ob er in den höheren Instanzen
seine Rechte in Person wahrnehmen, oder sich durch einen Vertheidiger ver-
treten lassen wolle. Im letzteren Falle ist die Person des Vertheidigers von
dem Angeklagten zu bezeichnen. Er kann auch beantragen, daß ihm von dem
Gericht zweiter Instanz ein Vertheidiger von Amtswegen bestellt werde. Wenn
er verhaftet ist, so steht ihm nur das Recht zu, durch einen Vertheidiger sich
vertreten zu lassen.
§. 52.
Nachdem die Akten bei dem Gericht zweiter Instanz eingegangen sind,
bestimmt dasselbe einen Termin zum mündlichen Schlußverfahren. Zu dem
Termine ist der bei dem Gericht zweiter Instanz angestellte Ober-Staatsanwalt
zuzuziehen und der Angeklagte oder der von diesem ernannte oder ihm von
Amtswegen zu bestellende Vertheidiger vorzuladen. In Ermangelung eines
Vertheidigers, oder wenn der von dem Angeklagten ernannte Vertheidiger nicht
am Orte des Gerichts wohnt, erfolgt die Vorladung des Angeklagten mitttelst
Aushanges im Geschäftslokal des Gerichts.
§. 53.
Bei dem mündlichen Schlußverfahren giebt zuerst ein aus der Zahl der
Gerichtsmitglieder zu ernennender Referent auf Grund einer schriftlichen Re-
lation mündlich eine Darstellung der bis dahin stattgefundenen Verhandlungen.
Hierauf wird der Angeklagte mit seinen Beschwerden, und der Ober-
Staatsanwalt mit seinen Gegenerklärungen gehört.
§. 54.
Das Gericht zweiter Instanz ist bei der Abfassung des Erkenntnisses an
die thatsächlichen Feststellungen des ersten Richters nicht gebunden; es hat
unabhängig von denselben in den Entscheidungsgründen der Vorschrift des
Art. 31 des Gesetzes vom 3. Mai 1852. (Gesetz-Samml. S. 209.) zu genügen.
Hält es eine Beweisaufnahme für nöthig, so verordnet es die Erhebung des
Beweises im schriftlichen Verfahren (§. 49.). Nach Eingang der Beweisver-
handlungen ist ein neuer Termin zum mündlichen Schlußverfahren anzusetzen.
Das Gericht zweiter Instanz kann jedoch die Vernehmung von Zeugen im
Schluß-