Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1877. (11)

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dauer der Haft von dem zuständigen Richter angeordnet, auch diese Anordnung 
zur Kenntniß des Amtzrichters gelangt ist. 
Wenn zur Vorbereitung und Erhebung der öffentlichen Klage die Frist 
von einer Woche nicht genügt, so kann dieselbe auf Antrag der Staatsanwalt= 
schaft vom Amtsrichter um eine Woche und, wenn es sich um ein Verbrechen 
oder Vergehen handelt, auf erneuten Antrag der Staatsanwaltschaft um fernere 
zwei Wochen verlängert werden. 
§. 127 
Wird Jemand auf frischer That betroffen oder verfolgt, so ist, wenn er 
der Flucht verdächtig ist oder seine Persönlichkeit nicht sofort festgestellt werden 
kann, Jedermann beugt ihn auch ohne richterlichen Befehl vorläufig festzunehmen. 
Die Staatsanwaltschaft und die Polizei= und Sicherheitsbeamten sind auch 
dann zur vorläufigen Festnahme befugt, wenn die Voraussetzungen eines Haft= 
befehls vorliegen und Gefahr im Verzug obwaltet. 
Bei strafbaren Handlungen, deren Verfolgung nur auf Antrag eintritt, ist 
die vorläufige Festnahme von der Stellung eines solchen Antrags nicht abhängig. 
§. 128. 
Der Festgenommene ist unverzüglich, sofern er nicht wieder in Freiheit gesetzt 
wird, dem Amtsrichter des Bezirks, in welchem die Festnahme erfolgt ist, vorzuführen. 
Der Amtsrichter hat ihn spätestens am Tage nach der Vorführung zu vernehmen. 
Hält der Amtsrichter die Festnahme nicht für gerechtfertigt oder die Gründe 
derselben für beseitigt, so verordnet er die Freilassung. Anderenfalls erläßt er 
einen Haftbefehl, auf welchen die Bestimmungen des § 126 Anwendung finden. 
§. 129. 
Ist gegen den Festgenommenen bereits die öffentliche Klage erhoben, so 
ist derselbe entweder sofort, oder auf Verfügung des Amtsrichters, welchem der= 
selbe zunächst vorgeführt worden, dem zuständigen Gericht oder Untersuchungs= 
richter vorzuführen, und haben diese spatestens am Tage nach der Vorführung 
über Freilassung oder Verhaftung des Festgenommenen zu entscheiden. 
§. 130. 
Wird wegen Verdachts einer strafbaren Handlung, deren Verfolgung nur 
auf Antrag eintritt, ein Haftbefehl erlassen, bevor der Antrag gestellt ist, so ist 
der Antragsberechtigte, von mehreren wenigstens einer derselben, sofort von dem 
Erlaß des Haftbefehls in Kenntniß zu setzen. Auf den Hapftbefehl finden die 
Bestimmungen des §. 126 gleichfalls Anwendung. 
§. 131. 
Auf Grund eines Haftbefehls können von dem Richter sowie von der 
Staatsanwaltschaft Steckbriefe erlassen werden, wenn der zu Verhaftende flüchtig 
ist oder sich verborgen hält. 
Ohne vorgängigen Haftbefehl ist eine steckbriefliche Verfolgung nur dann 
statthaft, wenn ein Festgenommener aus dem Gefängnisse entweicht oder sonst 
Reichs- Gesetzbl. 1877. 38
	        
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