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Bundespflicht im gegebenen Falle erfolgt sei, dem Bundesrate über-
wiesen werden sollte. Diese Entscheidung hat von ihm allein auszu-
gehen und kann nach der prägnanten Ausdrucksweise des Artikels 19
auch keiner anderen Instanz delegiert werden. Eine Berufung eines
Einzelstaates darauf, daß der Gegenstand des Erkenntnisses gar nicht
zur Kompetenzsphäre des Reiches gehöre, daß es sich im vorliegenden
Falle um ein HOonderrecht handle, ist dem von der höchsten Reichs-
instanz, dem Bundesrate, ergangenen Rechtsspruche gegenüber nicht
mehr statthaft; denn der Bundesrat befindet sich hier in Ausübung
seiner ihm von der Verfassung verliehenen Jurisdiktionsgewalt.))
Die Frage, mit welchem Stimmenverhältnisse die Beschlußfassung
zu ergehen habe, ist im Artikel 19 nicht berührt und demgemäß nach
den gewöhnlichen Grundsätzen über die Beschlußfassung im Bundesrate
zu beantworten. Nach Art. 7 Abs. 3 erfolgt die Beschlußfassung —
die Fälle der Art. 5, 37, 78 ausgenommen — mit einfacher Majorität.
Der vierte Absatz des Art. 7 der Reichsverfassung lautet: „Bei der
Beschlußfassung über eine Angelegenheit, welche nach den Bestimmungen
dieser Verfassung nicht dem ganzen Reiche gemeinschaftlich ist, werden
die Stimmen nur derjenigen Bundesstaaten gezählt, welchen die An-
gelegenheit gemeinsam ist.“ Unter Angelegenheiten, welche nicht dem
ganzen Reiche gemeinschaftlich sind, können nur solche Angelegenheiten
verstanden werden, in welchen die Verfassung ausdrüchlich die Kom-
petenz des Bundes für einzelne Staaten ausschließt. So zählt zu
jenen Angelegenheiten weder die Heeresverwaltung Bayerns noch das
Zoll- und Steuerwesen der Hansastädte. Dagegen sind nichtgemein-
schaftliche Angelegenheiten verzeichnet im Art. 4 Ziff. 1, Art. 35
Abs. 2, Art. 38, Art. 46 Absf. 2 u. s. f. Die Frage, ob im konkreten
Falle eine unter Art. 7 Abs. 4 fallende Angelegenheit vorliege, ist
als eine Frage der Geschäftsbehandlung vom Bundesrate mit ein-
facher Majorität zu entscheiden. Ausgeschlossen ist demnach z. B. das
zalsmmret Bayerns in Bezug auf Heimats= und Niederlassungsver-
hältnisse
Es ist nun die Frage aufzuwerfen:
Wenn die rechtliche Grundlage der Exekhution des Reiches die
Verletzung eines auf dem Gebiete des Heimatswesens ergangenen
Reichsgesetzes wäre, würde bei der Beschlußfassung über die Exekution
auef dem angegebenen Grunde die Stimme Bayerns mitgezählt werden
dürfen?
Diese Frage ist zweifellos im bejahenden Sinne zu beantworten.
Denn der Art. 7 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 4 Ziff. 1 schließt
nur eine in das Gebiet des Heimatsrechtes gehörige Angelegenheit
aus. Wenn aber die Zeschlußfassung die Feststellung bezwecht, ob
einem im Bereiche des Heimatswesens ergangenen Reichsgesetze z. B.
1) Gleiche Ansicht Löning S. 71.
Arndt, Kom. S. 178.