4. Kapitel. Die Aufgaben der öffentl. Gewalt gegenüber dem Straßenwesen. 209
werden. Man will heute also in der Regel keine Uberschüsse aus den
öffentlichen Wegen erzielen. Damit soll, wie schon im l. Abschnitt
auseinandergesetzt wurde, nicht jede Erzielung eines Uberschusses ver-
worfen werden. Unter Umständen kann ein solcher berechtigt sein.
namentlich dann, wenn er die Verbesserung und Vervollständigung des
noch nicht genügend entwickelten Landstrabennetzes erleichtert, ohne den
Verkehr in fühlbarer Weise einzuschränken.
Da heute in den vorgeschrittenen Staaten das Landstraßennetz sehr
dicht ist, so liegt die Nötigung, aus dem angegebenen Grunde UDber-
schüsse zu erzielen, meist nicht mehr vor. Es scheint aber, als ob die
besonderen Anforderungen des Kraftwagenverkehrs an die Beschaffen-
heit der Landstraben ein solches Bedürfnis wieder erwecken können,
namentlich, wenn dem Gedanken der Anlage besonderer Kraftwagen-
straßen näher getreten wird. In diesem Falle würde es nicht grundsätz-
lich abzuweisen sein, aus dem Kraftwagenverkehr selbst — z. B. durch
die neuerdings mehrfach angeregte Auferlegung von Zwecksteuern —
die nötigen Mittel zur Anlage, Erweiterung und Erhaltung der Sonder-
stralzen für Kraftwagen zu gewinnen. Wenn man von diesem besonderen
Falle absieht, so kommen heute in Wirklichkeit bei der finanziellen
Behandlung der Landstraßen nur zwei Grundsätze vorzugsweise in Be-
tracht, der Gebührengrundsatz und der Grundsatz des freien Genubßguts.
Der Gebührengrundsatz beruht auf dem Gedanken, dabß diejenigen,
welche den Weg benutzen, auch erkennbare unmittelbare Vorteile aus
dem Wege ziehen, so daß man für jede einzelne Benutzung auch eine
besondere Vergütung fordern kann. Die Höhe dieser Vergütung, die
übrigens bei den Römern nicht bestand, hängt im allgemeinen davon ab,
welcher Teil der Unterhaltungskosten und der Ausgaben für Verzinsung
und Tilgung der Anlagekosten durch die Gebübren aufgebracht werden
soll. Je weiter das Ziel in dieser Hinsicht gesteckt wird, desto mehr
müssen die Gebühren anschwellen. Sie dürfen aber keinesfalls so an-
wachsen, daß der Verkehr in wirtschaftlich schädlicher Weise beein-
trächtigt wird.
Im einzelnen bietet sich für die Bemessung der Wegegebühren als
nächstliegender Mabstab der verschiedene Grad der Abnutzung dar, der
sich bei den verschiedenen Benutzungsweisen ergibt. Der Fuhgänger
nutzt den Weg viel weniger ab als Vieh und Fahrzeuge; bei ihm ist
die Abnutzung 8o geringfügig, daß er auf den Landstraben meist ganz
frei bleibt. Auf den Brücken wird — soweit Brückengelder noch er-
hoben werden — der Fubßgänger mit Gebühren belastet, die aber erheb-
lich niedriger sind, als die Gebühren bei anderen Benutzungsarten. Bei
Vieh sind niedrigere Sätze angezeigt, als bei Fahrzeugen, weil es die
Wege weniger abnutzt als diese; höher als die Fußgänger ist es dagegen
an sich zu belasten. Dabei bestehen gewisse Abweichungen je nach der
vas p# Bosolr, Vorkehrswesen. 2. Aulfl. 14