Full text: Preußisches Staatsrecht. Dritter Band: Verwaltungsrecht, besonderer Teil. (3)

8166 Die Organe der Polizeiverwaltung. 147 
Velagerungszustandes nicht nur ein Ausfluß des Militär— 
kommandos, sondern auch eine sicherheitspolizeiliche Maßregel. 
Allein es wird dabei immerhin eine militärische Kommandogewalt 
gegenüber den Truppen ausgeübt, und eine solche haben die Einzel- 
staaten nur noch, soweit das Reichsrecht sie ihnen beilegt. Indem 
ferner die Reichsverfassung dem Kaiser die Befugnis zur Erklärung 
des Kriegszustandes zuschreibt, überträgt sie ein bisher von den 
Einzelstaaten geübtes Recht auf den Kaiser. Diese Uebertragung 
ist unbeschränkt und vorbehaltlos geschehen, so daß für die Einzel- 
staaten keinerlei derartiges Recht zurückgeblieben ist. Ueberdies 
verweist Art. 68 der Reichsverfassung nicht wegen des Berechtigten, 
sondern nur wegen Voraussetzungen, Form der Verkündigung und 
Wirkungen auf das preußische Gesetz vom 4. Juni 1851. 
Dagegen ist in Preußen, auch wenn der Belagerungszustand 
nicht erklärt ist, nach dem Gesetze vom 4. Juni 1851 § 16 das 
Staatsministerium im Falle des Krieges oder Aufruhrs bei 
dringender Gefahr für die öffentliche Sicherheit ermächtigt, die 
Art. 5, 6, 27—30 und 36 der preußischen Verfassungsurkunde 
zeit= und distriktsweise zu suspendieren. Hinsichtlich der Presse, 
der Vereins= und Versammlungsfreiheit und des Gerichtsstandes 
behalten dagegen die oben erwähnten Bestimmungen des Preß- 
gesetzes, des Reichsvereinsgesetzes und des Gerichtsverfassungs- 
gesetzes die bestehenden sicherheitspolizeilichen Vorschriften bis auf 
weiteres vor, so daß die an Stelle der betreffenden Verfassungs- 
artikel getretenen reichsrechtlichen Normen außer Kraft gesetzt 
werden können. 
Wesentlich verschieden von dem Kriegs= oder Belagerungs- 
zustande war der sogenannte kleine Belagerungszustand auf Grund 
des Sozialistengesetzes, der jetzt nicht mehr besteht##). 
Nach dem Gesetze vom 11. März 1850 9) haftet die Gemeinde, 
in deren Bezirk bei einer Zusammenrottung oder bei einem Auflaufe 
von Menschen durch offene Gewalt oder durch Anwendung der 
dagegen getroffenen gesetzlichen Maßregeln Beschädigung des 
Eigentums oder Verletzungen von Personen stattgefunden haben, 
  
letztere Ansicht. Fälle von 1871 (Königshütte) und 1885 (Bielefeld) siehe 
bei Haldy, S. 18, 19. 
18) Vgl. 88 169, 170 der 1. Aufl. 
19) GS. 1850, S. 199. 
10“
	        
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