Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

Brief des 
Prinzen 
Heinrich 
280 STÜBELS PECH 
als mit Ihrem verantwortlichen Amt nun einmal unlösbar verbunden ist.“ 
Herbert Bismarck schrieb mir am Silvestertag 1898: „Ihnen wünsche ich 
neben allem anderen Guten stets Befriedigung und steigende Triumphe in 
Ihrer Tätigkeit zum Heile unseres Vaterlandes. Daß Sie manche Schwierig- 
keiten haben, kann ein erfahrener Zeitungsleser auch zwischen den Zeilen 
gewisser Artikel erkennen. Sie müssen uns jetzt aus dem unbequemen 
Fahrwasser heraussteuern, in das die unrichtige Navigation von 1890-91 
uns gebracht hat. Good speed wünsche ich dazu und bedauere nur, daß Sie 
in Ihrer diplomatischen Armee so wenig geschickte Helfer haben, so daß 
Sie alles allein machen müssen.“ 
Noch vor Schluß des Jahres 1898 hatte ich einen Brief des Prinzen 
Heinrich von Preußen erhalten, der mir von S.M. S. „Deutschland“ mit 
der prägnanten Ortsbezeichnung „Chinesisches Meer“ unter dem 28. No- 
vember 1898 schrieb: „Mein lieber Herr von Bülow! Als wir vor nunmehr 
bald einem Jahr voneinander schieden, gestanden Sie mir die Erlaubnis zu, 
dann und wann über Ihre Untergebenen ein freies Wort zu äußern.‘ Der 
Herzensgüte des Prinzen entsprechend war dies freie Wort eine warme Be- 
fürwortung der Ernennung des Generalkonsuls Dr. Stübel in Shanghai zum 
Gesandten in Peking. Stübel war ein tüchtiger Beamter, dessen dienstliche 
Laufbalın aber an einen melancholischen Vers erinnert, den ich vor vielen 
Jahren in einem alten Bülowschen Stammbuch fand. In dieses Buch hatte 
ein Bülow aus dem 16. Jahrhundert eine Zickzacklinie eingetragen und 
darunter geschrieben: 
Sic eunt fata hominum, 
Ach, gingen sie doch nicht so krumm! 
Mit Rottenburg hatte Dr. Stübel seinerzeit für den Posten des Chefs 
der Reichskanzlei beim Fürsten Bismarck zur engeren Wahl gestanden, 
ein Beweis, daß er Qualitäten besaß. Er hatte sich dann im Konsulardienst 
in Ostasien wohl bewährt, wurde Direktor der Kolonialabteilung, warf aber 
als solcher um, da er nicht frei sprechen konnte. Bei der ersten Rede, die er 
bei Beratung seines ersten Etats im Reichstag halten sollte, saß ich neben 
ihm. Er suchte nach Worten, ohne sie zu finden, stockte nach jedem Satz, 
wiederholte zweimal dieselbe Wendung, blickte hilflos um sich, zur Decke 
und in den Saal, wo ihm die Vertreter des deutschen Volkes mit dem bos- 
haften Vergnügen zuhörten, das im Theater die Besucher der Galerie emp- 
finden, wenn ein Schauspieler trotz krampfhaften Einblasens von seiten 
des Souffleurs steckenbleibt. Ich selbst habe beim Reden nie Befangenbeit 
empfunden, aber es ist mir geradezu eine Qual, wenn ein anderer bei öffent- 
lichem Sprechen nicht vorwärtskommt. Möge diese kleine Schwäche mir 
als Altruismus ausgelegt und angerechnet werden. Da der brave Stübel
	        
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