Full text: Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913.

Erwerb für einen Deutschen durch Aufnahme. 8 7. 43 
genannten Broschüre für durchaus geboten erachtet. Der Reichstag ist diesem 
Gedanken näher getreten, und das Gesetz beginnt mit den Worten: „Deutscher 
ist“. Dies dürfte als die beste Stärkung des Reichsgedankens im deutschen 
Volk zu erachten sein. 
c) In dem Regierungsentwurf lautete die Fassung dieses Paragraphen 
dem Inhalte d. G. vom 1. Juni 1870 entsprechend, und zwar: „Die Aufnahme 
wird dem Angehörigen eines Bundesstaats von jedem anderen Bundesstaat 
erteilt.“ Die Reichstagskommission hat mit Recht diese Fassung dahin abge- 
ändert, daß die Worte „Angehörigen eines Bundesstaates“ durch die Worte 
„einem Deutschen“ ersetzt wurden. 
4. von jedem Bundesstaat. 
Demzufolge kann auch dem unmittelbaren Reichsangehörigen, wenn er 
in einem Bundesstaate sich niederläßt, die Aufnahme daselbst nicht versagt, 
sie muß ihm sogar gewährt werden, auch wenn nach den §§ 3—5 d. G. über 
die Freizügigkeit vom 1. Nov. 1867 ein Grund vorliegen sollte, der für An- 
gehörige eines Bundesstaates die Ablehnung des Aufnahmegesuchs rechtfertigen 
würde. Der unmittelbare Reichsangehörige kann aus Deutschland nicht aus- 
gewiesen werden; ein Rücktransport nach den Schutzgebieten ist auch nicht aus- 
führbar, weil ein Gesetz zur Unterstützung der in den Schutzgebieten oder im 
Ausland hilfsbedürftig gewordenen Deutschen nicht besteht. Ein solcher un- 
mittelbarer Reichsangehöriger besitzt mithin keine Heimat und würde nach den 
§§ 28—80 d. UW . oder nach § 6 des Gothaer Vertrages vom 15. Juli 1851 
(Bayern; s. § 17 Anm. 1b) von demjenigen Bundesstaate unterstützt und be- 
halten werden müssen, in dem er als Heimatloser Wohnsitz genommen hat, und 
wenn er in diesem Bundesstaat die Aufnahme nachsucht, so kann sie ihm nicht 
verweigert werden. 
5. niedergelassen hat. 
Die Niederlassung in demjenigen Bundesstaate, in welchem der Deutsche 
seine Aufnahme nachsucht, gibt ihm ein Recht auf Gewährung des Gesuches, 
es sei denn, daß ihm die Aufnahme aus den Gründen, aus welchen nach §§ 3—5 
des Freizügigkeitsgesetzes vom 1. Nov. 1867 die Ausweisung zulässig ist, versagt 
werden kann. 
Riedel a. a. O. S. 258 folgert daraus, daß die Tatsache der Niederlassung 
eine Voraussetzung der Aufnahme bildet und daß Einzelregierungen, auch 
wenn sie wollen, auswärts wohnenden Reichsangehörigen anderer Bundes- 
staaten die Aufnahme nicht erteilen können, was nach der bayerischen Gesetz- 
gebung möglich war. 
Die Folgerung Riedels ist nicht gerechtfertigt. In dem 87 d. G. ist nur be- 
stimmt, unter welchen Voraussetzungen die Aufnahme eines Reichsangehörigen 
in einen anderen Bundesstaat nicht verweigert werden darf; der höheren 
Verwaltungsbehörde eines anderen Bundesstaates steht es aber frei, einem 
Deutschen die Aufnahme zu gewähren, wenn auch die in dem gedachten Para- 
graphen aufgeführten Voraussetzungen bei ihm nicht zutreffen. Würde z. B. 
die Niederlassung als unerläßliche Bedingung für die Gewährung der Auf- 
87.
	        
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