Full text: Central-Blatt für das Deutsche Reich. Dritter Jahrgang. 1875. (3)

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Fuß zurücklegen zu können, und indem er wiederholt auf jede fernere Unterstützung des Armen- 
verbandes des Kreises Königsberg verzichtete. Auch erklärte der Anstaltsarzt nunmehr: D. sei 
jetzt soweit gebessert, daß er zu Fuß entlassen werden könne. Unter solchen Umständen hielt die 
Landarmendirektion es nach §. 1 Abs. 2 des Ausführungsgesetzes vom 8. März 1871 und der 
Instruktion zu diesem Gesetze vom 10. April desselben Jahres, nicht für zulässig, den ect. D. im 
Verwaltungswege wider seinen Willen in der Anstalt festzuhalten und verfügte am 11. August 1873 
seine Entlassung. Nachdem am 13. desselben Monats der Anstaltsarzt sich nochmals dahin aus- 
gesprochen hatte, daß D. zwar entlassungs= aber nicht erwerbsfähig sei, erfolgte die Entlassung 
am 14. desselben Monats. Aus einem bei den Akten befindlichen Schreiben des Landraths zu 
Gumbinnen vom 1. Oktober desselben Jahres ergiebt sich, daß D. bei der dortigen Regierung um 
eine Unterstützung eingekommen war. 
Als D., nachdem er in Preuß. Eylau wieder in Pflege genommen war, daselbst vernommen 
wurde, erklärte er, daß er zur Zeit seiner Entlassung aus Tapian sich soweit erholt gehabt habe, 
daß er hoffte, wieder als Lehrer fungiren zu können, daß er jedoch keine Stelle habe finden 
können, da sich nach kurzer Zeit das Zittern in den Gliedern wieder eingestellt habe. Jedoch habe 
er bis dahin noch keine Behörde in Anspruch genommen. 
Es kann hiernach nicht angenommen werden, daß der Zustand der Hülfsbedürftigkeit, welcher 
seiner Zeit es dem Landarmenverbande des Landkreises Königsberg zur Pflicht gemacht hatte, zu 
Gunsten des D. einzuschreiten, zur Zeit seiner Entlassung aus der Landarmenanstalt, und nach 
derselben nicht weiter fortbestanden habe, D. vielmehr erst in Preuß. Eylau von neuem hülfs- 
bedürftig geworden sei. In Folge seines augenscheinlich nicht heilbaren Leidens war D. nach der 
Erklärung des Arztes auch bei seiner Entlassung noch erwerbsunfähig, wenngleich rücksichtlich 
seiner Marschfähigkeit eine gewisse Besserung eingetreten war, die es ihm möglich machte, größere 
Wege zu Fuß zu unternehmen, als er dies am 10. Juli dess. Is. vermochte, so daß er in dieser 
Richtung nunmehr als entlassungsfähig gelten konnte. Welches Gewicht darauf zu legen war, 
daß er selbst geglaubt haben mag, sich wieder als Lehrer ernähren zu können, ergiebt sich zur 
genüge aus seiner höchst mangelhaften Unterschrift unter der Entlassungsverhandlung vom 
14. August 1873 und der Unterkreuzung einer am gleichen Tage bezüglich seines Verdienstes in 
der Anstalt abgegebenen Erklärung. Auch die von ihm ausgesprochene Hoffnung, in Gumbinnen 
eine Pension von 50 Thlrn. erlangen zu können, muß als eine grundlose und illusorische be- 
trachtet werden, da nach dem oben erwähnten Schreiben des dortigen Landraths D. daselbst viel- 
mehr die Gewährung einer Unterstützung beantragt habe. Wenn derselbe auch bis zum 
24. Januar 1874 die Hülfe eines Armenverbandes nicht weiter in Anspruch genommen hätte, so 
ist es bei dieser Sachlage doch klar, daß er sich in der Zwischenzeit nur vom Betteln ernährt 
haben kann. Die desfallsige vom Kläger in der Appellationsrechtfertigung unter Beweis gestellte 
Behauptung ist denn auch vom Verklagten in seiner Erwiderung nicht ausdrücklich bestritten 
worden. Es muß solches umsomehr angenommen werden, als der D. vor seiner Entlassung 
geradezu erklärt hatte, daß er durch Unterstützungen die Mittel zur Reise nach Gumbinnen zu 
erlangen gedenke. Ausdrücklich nur deshalb ist er seitens der Landarmendirektion aus der Anstalt 
in Tapiau entlassen worden, weil die zum preußischen Ausführungsgesetze ergangene Ministerial- 
Instruktion vom 10. April 1871 es ausdrücklich verbietet, wider seinen Willen denjenigen, der die 
Armenpflege in Anspruch nimmt, im Verwaltungswege in einem Armenhause unterzubringen resp. 
festzuhalten, und weil sie vorschreibt, daß demselben, vorbehaltlich der Beschwerde an die Aufsichts- 
behörde, lediglich überlassen werde, entweder auf die Unterstützung überhaupt zu verzichten oder 
sich mit derjenigen Art und Weise, wie sie ihm, der Bestimmung des §. 2 Abs. 2 des Ausführungs- 
gesetzes gemäß, in einem Armenhause geboten werde, zu begnügen. Nachdem D. wiederholt aus- 
drücklich erklärt hatte, auf jede weitere Unterstütung seitens des Armenverbandes des Kreises 
Königsberg verzichten zu wollen, konnte derselbe, ohne Zuwiderhandlung gegen die Instruktion in 
der Anstalt nicht festgehalten werden. Eine solche Erklärung allein kann aber den betreffenden 
Landarmenverband den übrigen Armenverbänden gegenüber nicht von der Verpflichtung zur 
Armenfürsorge entbinden, welche ihm einmal auf Grund der vom Gesetze für maßgebend erklärten 
Thatsachen zugefallen ist. So lange die Hülfsbedürftigkeit, welche einmal hervorgetreten ist, nicht 
ihr Ende erreicht hat, — und dies trifft im vorliegenden Falle nicht zu, da der D. ohne sein 
Verlangen nicht hätte entlassen werden dürfen, — dauerte vielmehr seine Verpflichtung unverändert 
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