Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
gesetzen erwerben und besitzen und ihr Eigentum 
darf unter keinem Vorwand eingezogen werden 
[J Kirchenvermögen]. Die k. K. hat ein reichs- 
gesetzliches Konkursprivileg (KO # 61 Ziff. 3). 
Aeltere Zivilrechte hatten auch zahlreiche Er- 
werbsprivilegien entwickelt. Diese betrafen ein 
kirchliches Erbrecht, Verfügungen ad piam cau- 
sam, Verjährung, Restitutio in integrum und 
Steuerfreiheit, welch letztere in beschränktem Um- 
fang nach Maßgabe der Steuergesetze noch besteht. 
Die katholischen Geistlichen!#] haben die 
Rechte der öffentlichen Beamten. Doch besitzen sie 
kein Amt im Sinne des StG B 5 31, 33—36, 330 
ff, 339. Sie sind zur Zeugnisverweigerung be- 
rechtigt in Ansehung dessen, was ihnen bei Aus- 
übung der Seelsorge anvertraut ist (St PO #52, 
gPO 8 383). Vor der Verhaftung derselben behufs 
Ableistung des Offenbarungseides ist der vorge- 
setzten Dienstbehörde Anzeige zu machen und die 
Verhaftung darf erst erfolgen, nachdem die letztere 
für die dienstliche Vertretung gesorgt hat. Sie 
haben ein Exekutionsprivileg (3PO 350 Ziff. 8). 
Den Steuerlasten und Abgaben sind sie zwar unter- 
worfen, doch haben sie partikularrechtlich eine 
Immunität von gewissen persönlichen Lasten, 
Steuern, Funktionen und Aemtern, insbesondere 
Selbstverwaltungsämtern und Vormundschaften. 
Reichsgesetzlich sind sie frei vom Geschworenen- 
und Schöffendienst (GVGG# 34 Ziff. 7), u. U. auch 
vom Militärdienst (Ro v. 8. 2. 90; R#Bl 23). 
Sie haben eine Stellung in den staatlichen Rang- 
klassen, die Bischöfe beispielsweise in Preußen 
gleichen Rang mit dem Oberpräsidenten, in 
Bayern kommen sie unmittelbar nach den Regie- 
rungspräsidenten, in Württemberg neben dem 
Generalmajor. 
Das Wohlwollen des Staates gegen die k. K. 
ist also unverkennbar. 
#s4. Die Kirchenhoheit (Y. Ungleich wichtiger 
ist die Stellungnahme des Staates zu der kirch- 
licherseits verlangten Freiheit der Kirchenre- 
gierung. 
I. Die kurialistische Doktrin steht noch auf 
dem im Mittelalter gewonnenen hierokratischen 
oder theokratischen Standpunkte, daß die Kirche 
in Rücksicht auf die Vornehmheit ihres Zweckes 
dem Staate übergeordnet oder doch wenigstens 
in solcher Weise nebengeordnet sei, daß jede staat- 
liche Beschränkung als ein Eingriff in deren Wesen 
zurückgewiesen werden muß. Wenn dem Staat 
heute auch eine eigene Zuständigkcitssphäre 
für seine Aufgaben zugesprochen wird, so soll 
doch im Konfliktsfall das kirchliche Interesse 
und die kirchliche Autorität maßgebend sein. 
Wie ein Extrem das andere ablöst, so stellte 
sich, insbesondere im 17. und 18. Jahrhundert, 
diesen Anschauungen der Territorialismus und 
damit das vollendete Staatskirchenrecht entgegen, 
welches die Kirche nur als Staatsinstitut begreift 
und dieselbe dem Staatsorganismus einfach ein- 
gliedert und unterordnet. Diese Thceorie ist heute 
gleichfalls überwunden. Das Prinzip, welches 
heute in der staatskirchenrechtlichen Theorie und 
Praxis ziemlich allgemeine Anerkennung gefunden 
Katholische Kirche (Kirchenhoheit) 
  
hat, geht von dem Korporationscharakter und der 
Selbständigkeit der Kirche aus, welch letztere als 
örtliche Erscheinung im Staate wohl dessen Sou- 
veränität (Nirchenhoheit) untersteht, aber wegen 
der Eigenartigkeit ihres dem Jenseits zugewandten 
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Zweckes autonom ist und ihre Angelegenheiten 
selbst verwaltet. Dabei sind freilich zahlreiche 
Streitfragen geblieben, je nach der Vergangenheit 
eines Landes und der augenblicklichen Zeit- 
strömung. 
Die k. K. der deutschen Staaten hat das Recht 
der Autonomie, steht aber nicht wie die 
übrigen Vereine unter der gewöhnlichen polizei- 
lichen Aufsicht, sondern es greift hier eine besondere 
auf die Sachlage eigens eingerichtete Aufsicht oder 
Kirchenhoheit Platz, welcher allerdings auch ein 
besonderer Schutz parallel läuft. 
II. Mit der Anerkennung der k. K. und deren 
Verfassung ist in Deutschland auch der primatus 
iurisckictionis des Papstes, wie er schon vor 
dem Vatikanum feststand, anerkannt. Insofern ist 
das Papsttum eine einheimische Institution, wenn 
auch der Papst selbst ein Ausländer ist. Besondere 
gesetzliche Kautelen begegnen uns im Plazet und 
im Ausschluß fremder Gerichtsbarkeit. 
Das Plazet'/, welches mit Ausnahme von 
Elsaß-Lothringen (Organ, a 1—3) zugleich auch 
eine Beschränkung des bischöflichen Verordnungs- 
rechts ist, macht entweder Publikation und Vollzug 
der kirchlichen Gesetze, Verordnungen und sonstigen 
Anordnungen von der Genehmigung der Staats- 
gewalt abhängig (Bayern: VU IV ##9, II. Beil. 
558), oder es begnügt sich mit einer einfachen vor- 
herigen (Sachsen: G v. 23. 8. 76 + 1 ff) oder 
gleichzeitigen (Württemberg: Gv. 30. 1. 62 a 1; 
Baden: Go. 9. 10. 60 515; Hessen: G v. 23. 4. 75 
a 5) Mitteilung an die Staatsregierung, wogegen 
eine Genehmigung nur gefordert wird, insoweit 
solche Anordnungen in die staatliche oder bürger- 
liche Sphäre hineingreifen. In Preußen fehlt diese 
Institution und man wartet ruhig ab, ob eine An- 
ordnung über das kirchliche Gebiet hinausgeht und 
hindert dann ihre Durchführung. Man sieht 
hier, daß der Staat diese Einrichtung sehr wohl 
entbehren kann. Sehr weit geht die Be- 
stimmung des württ. G von 1862 a 1 und 
sächs. G von 1876 5K 4, wonach sämtliche Erlasse 
des Papstes ihre Rechtsverbindlichkeit in Würt- 
temberg und Sachsen erst durch die Publikation der 
inländischen Kirchenbehörde erlangen, für welche 
das Plazet einzuholen ist. 
Die Ausübung der Disziplinargewalt 
durch außerdeutsche Behörden ist verboten in 
Württemberg (G von 1862 a 10) und Hessen 
(G von 1876 a 5), bis 1886 auch in Preußen 
(G v. 12. 5. 73 5 1). Diese Gesetze bezwecken 
gleichzeitig die Einhaltung des Instanzenweges 
und entsprechen insofern der kirchlichen Gesetz- 
gebung und alter deutscher Uebung. In Sachsen 
(G von 1876 5K 16) darf eine äußere Angelegen- 
heit der k. K. nicht einmal im Instanzenzug 
vor nichtsächsische Richter gehen, und Disziplinar- 
erkenntnisse werden nur unter dieser Vorausset- 
zung von der Staatsbehörde vollstreckt. Auch in 
Bayern bestehen einschlägige Abmachungen. Vgl. 
Silbernagl, Verf. und Verwaltung sämtl. Reli- 
gionsg. in Bayern 5 21. Das bedeutet allüberall 
keinen Angriff auf das Dogma; der Papst bleibt 
vielmehr der oberste Richter und delegiert bei der 
Ausübung der Disziplinargewalt nur deutsche, 
nicht italienische Richter. 
Die durch das vatikanische Konzil be- 
gründete Machtstellung des Papstes hat kein deut- 
scher Staat anerkannt. Der Schwerpunkt der vati- 
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