Full text: Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten. 1820. (11)

&.16. Gewillkührte und testamentliche, insonderheit Stamm= oder 
Familienausträge, sind in Ciwvilstreitigkeiten der Mitglieder einer standesherr- 
lichen Familie unter sich nur in sofern kompetent, als diejenigen Verfügungen, 
worin solche festgesetzt sind, Unsere Bestähigung erhalten haben. 
§. 17. In peinlichen Sachen, mit Ausnahme der in Unserm Dienste 83 zind 
begangenen Verbrechen, genießen die Häupter der standesherrlichen Familien, Sachen 
sofern sie nicht den Gerichtsstand eines Oberlandesgerichts vorziehen, einen: 2 bent- 
privilegirten Gerichtsstand vor Austrägen und es findet dabei folgendes Ver- rn. 
fahren statt: 
a) die Untersuchung gebührt dem Oberlandesgerichte, welches nach den Lan- 
desgesetzen kompetent ist, und wird von einem durch das Präsidium zu 
ernennenden Mitgliede, unter Vorsitz des Präsidenten oder eines Direk- 
tors, geführt. 
b) Die ordentlichen Kri inalgerichte und Polizeibehörden jeden Orts sind 
befugt und verpflichtet, wo nach den Gesetzen überhaupt ein hinreichender 
Grund dazu vorhanden ist, sich des Angeschuldigten auf eine dem Stande 
der Person angemessene Weise zu versichern. Sie müssen jedoch hiervon 
ohne Verzug dem Oberlandesgericht ihres Bezirks Anzeige machen und 
dieses hat innerhalb dreimal vier und zwanzig Stunden, nach erhaltener 
Anzeige, über die Rechtmäßigkeit der Haft und über die Einleitung des 
peinlichen Verfahrens, einen Beschluß zu fassen. 
c) Von dem Augenblick an, wo die Verhaftnehmung für rechtmäßig erkannt 
isi, bis zur völligen Wiedereinsetzung des Angeschuldigten in seinen vo- 
rigen Stand oder bis zu seinem Ableben, gebührt die Ausübung der 
standesherrlichen Gerechtsame dem vermuthlichen Nachfolger, 
oder, wenn dieser hieran verhindert ist, dem nächsten Agnaten, in deren 
Ermangelung einem von Uns zu ernennenden Administrator. Die Ver- 
mögensverwaltung kommt in einem solchen Falle demjenigen zu, 
welchen die Familienstatute, wo aber diese nichts darüber enthalten, die 
Landesgesetze bestimmen. 
d) Nach geschlossener Untersuchung werden die Akten an Unser Justizmini- 
sterium gesendet. Dieses bringt zehn ebenbürtige Standesgenossen, oder 
in deren Ermangelung „Personen, die ihnen an Rang oder Geburt am 
nächsten stehen, dem Angeschuldigten in Vorschlag, von welchen dieser 
innerhalb vier und zwanzig Stunden nach gemachter Vorlegung, fünf 
auswählt. Die Ausgewählten werden von Uns mittelst Kabinetsbefehls 
zur Abhaltung des Austrägalgerichts nach Berlin berufen. 
eCe) Unser Justizminister, welcher in dem Austrägalgericht den Vorsitz führen 
soll, versammelt die einberufenen Austragalrichter, nimmt zuvörderst 
von ihnen auf Gewissen und Ehre das Versprechen zu sorgfälligsier Er- 
wägung
	        
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