— 187 —
§. 2.
Der Ehrenrath, welcher sein Amt unentgeltlich verwaltet, ist befugt und
verpflichter, über die Erfüllung der besonderen Amtspflichten, sowie derjenigen
Pflichten seiner Standesgenossen zu wachen, welche durch Ehrenhaftigkeit, Red-
lichkeit und Anstand bedingt werden. Insbesondere tritt derselbe bei allen
Vergehen der Justizkommissarien, Advokaten und Notarien, welche nach dem
Gesetze vom 29. März 1844. im Disziplinarwege zu ahnden sind, an die
Sctelle der in jenem Gesetze angeordneten Disziplinarbehörde mit den dieser zu-
stehenden Rechten. 5.3
In der Befugniß der Gerichte:
in den bei ihnen schwebenden Rechtsangelegenheiten die Justizkom-
missarien, Advokaten und Notarien zu ihrer Schuldigkeit anuzalren
und mit Ordnungsstrafen zu belegen,
wird niches geändertt. Die Gerichte können aber auch in solchen Fällen die
Untersuchung und Entscheidung dem Ehrenrathe überlassen.
S. 4.
Jedes Landes-Justiz-Kollegium, bei welchem ein Staatsanwalt für Kri-
minalsachen nicht angestellt ist, hat einen Beamten zu bestellen, welcher die
Funktionen des Staaksanwalts in den vor dem Ehrenrathe vorkommenden Un-
tersuchungen wahrzunehmen hat.
g. 5.
Erachtet der Ehrenrath dafür, daß Anlaß zu einem Disziplinar-Straf-
verfahren gegen einen Justizkommissarius, Advokaten oder Notar vorhanden
sei, oder wird die Einleitung eines solchen Verfahrens von dem Landes-Justiz--
Kollegium oder dem Staatsanwalt (V. 4.) beantragt, — welchem Antrage in
jedem Falle Statt gegeben werden muß, — so ist die Untersuchung in Form
eines Beschlusses zu erbffnen, in welchem, wenn die Untersuchung auf Diensi-
entlassung gerichtet ist, dies ausdrücklich ausgesprochen werden muß.
g. 6.
Die Insiruktion der Sache erfolgt vor versammeltem Ehrenrathe, oder
durch einen aus seiner Mitte besiellten Kommissarius.
G. J.
Dem Ehrenrathe sieht das Recht zu, in dem Verfahren Zeugen zu laden
und eidlich zu vernehmen.
Erscheinen dieselben auf die Vorladung nicht, so isi der personliche Rich-
ter um ihre Gestellung zu ersuchen.
*
Erscheint der Angeschuldigte auch auf die zweite an ihn gerichtete Vor-
ladung nicht, oder verweigert er die Auslassung, so werden die Anschuldigun-
gen, wenn sie durch Urkunden bescheinigt sind, für zugestanden erachtet.
(Nr. 2810.) 33 Sind