G 1011 20
Die deutsche (rarine-Sxpedition 1907/09.“)
Siebenter Bericht.
Matupi, 19. Juni 1908.
Im Monat Mai wurden von Muliama, dem
Südlager der deutschen Marine-Expedition aus
Orientierungsmärsche an der geographisch noch
kaum bekannten Ostküste Süd-Neu-Mecklenburgs
unternommen. Da keine Woche verging, in der
nicht Leute aus den entfernteren Gegenden der
Küste Muliama besuchten, deren Herkunft nach
den bestehenden Karten nur annähernd oder gar
nicht zu bestimmen war, war eine vorläufige geo-
graphische Orientierung als Unterlage für die
ethnographische Arbeit dringend notwendig ge-
worden. Marinestabsarzt Dr. Stephan, Dr.
Schlaginhaufen und Photograph Schilling
traten am 7. Mai einen Marsch nach Süden an.
Er ging über die Südgrenze der Landschaft
Muliama hinaus nach der Landschaft Konomala.
Dort war der früher schon““) in seinem Oberlauf
durchwatete reißende Strom Danfu zu durch-
queren. In dem Dorfe Maritsoan in der Nähe
der in der Seekarte eingezeichneten, aber nicht
benannten Insel Bit wurde der erste Tagesmarsch
beendigt. Am zweiten Tage wurde der Rücken
des Kap Santa Maria überschritten, und bei dem
Dorfe Re gelangte man aus der Landschaft
Konomala, der eine besondere Sprache zukommt,
in das Gebiet einer neuen Sprache. In Lonlun,
am Ausfluß eines großen mehrarmigen Stromes,
wurde das Lager für die zweite Nacht ausge-
schlagen. Der dritte Tag führte durch eine etwas
dorfreichere Gegend nach dem Orte Taron. Er
liegt in einer weiten Bucht, hinter der sich mäch-
tige Berge auftürmen. Einer Exkursion land-
einwärts, die durch das Flußtal des Tamul,
dann über einen Höhenrücken hinweg und durch
das Timai-Tal hinunter ging, war der vierte Tag
gewidmet. Der fünfte Tag brachte die Expedition
nach der südlichsten Strandansiedlung der Ostküste.
Sie liegt in der Nähe der Blosseville-Insel, und
etwas nördlich davon ergießt sich der größte der
überschrittenen Flüsse, der Uatin, ins Meer. Er
mündet in einem großen Delta, und sein Tal
bildet bis weit ins Gebirge hinein einen tiefen
Einschnitt. Von der Blosseville-Insel aus konnten
Kap Bougainville und die Insel Iro'““) gesehen
werden. Auf dem Rückmarsch nach Muliama
wurden die wesentlichsten Punkte kontrolliert und
einige Dörfer, die auf dem Hinweg übergangen
worden waren, noch aufgesucht.
k Aus der „Marine-Rundschau“ 1908, Oktober=
ft. Vgl. auch „Deutsches Kol. “ f1908, S. 183 ff.
251 ff. 4/8 f. 581 f. 085 fl. und 80.
"#n Woal. den dritten Wracht 90 ol. Bl.“ 1908,
r. 479
*“#.) In der Seekarte steht irrtümlicherweise Tro-Insel.
Zu dem Marsch nach Norden gab uns ein
trauriges Ereignis Veranlassung, die schwere Er-
krankung des Expeditionsleiters Marinestabsarzt
Dr. Stephan. Einige mächtige Felsen, die
nördlich von Muliama dicht an die See heran-
treten, machten den ersten Tagesmarsch zu einem
äußerst anstrengenden. Am zweiten Tage wurde
die weit ins Meer vorragende, im Kap Matana-
tamberan endigende Landzunge durchquert, die
auf weite Strecken hin mit Alangalang-Gras be-
wachsen ist. Am dritten Tage gelangte man bis
Kudukudu, wo die Karte des Landmessers Peter
Behrendt für die nördlich davon gelegenen
Küstengebiete anhebt, und am vierten Marschtage
wurde die Kaiserliche Station Namatanai erreicht.
Dort verschied Dr. Stephan.
Das Hauptergebnis der beiden Märsche war,
daß die Karte der Ostküste von Süd-Neu-Mecklen-
burg, die bis dahin auf der Strecke von Kap
Matanatamberan bis zur Blosseville-Insel nur
das schon seit den spanischen Seefahrern bekannte
Kap Santa Maria verzeichnete, mit den Namen
der Orte, Flüsse und Landzungen versehen werden
konnte. Für die Mitglieder der Expedition sind
die Reisen aber für immer mit den düsteren Er-
innerungen an die Erkrankung und den Tod ihres
verdienten Leiters verknüpft.
r *
Dem Dahingeschiedenen widmen die Mitglieder
der Expedition in der „Marine-Rundschau“ fol-
genden Nachruf:
Am 25. Mai 1908 traf die deutsche Marine-
Expedition der schwerste Verlust. Der Tod entriß
ihr den verdienten, unermüdlichen Leiter, Marine=
stabsarzt Dr. Emil Stephan. Noch war es ihm
vergönnt, auf einem nach Siar unternommenen
Marsch den Anschluß an sein früheres Unter-
suchungsgebiet zu gewinnen. In einem Einbaum
ruderte er zusammen mit Dr. Schlaginhaufen
bei der Blosseville-Insel aufs Meer hinaus, bis
sich seinen Augen Kap Bougainville, der Endpunkt
seiner früher an Bord S. M. S. „Möwe“ durch-
geführten Forschungen, darbot. Wenige Tage
später aber schon traten die Anzeichen seiner Er-
krankung aufs, die so verhängnisvoll für ihn werden
sollte. Noch raffte er sich zusammen und mar-
schierte über das Kap Santa Maria zurück. Aber
am letzten Tage der Reise mußte er bereits in
der Hängematte getragen werden. Nach einigen
bei wechselndem Befinden in Muliama verbrachten
Tagen wünschte er selbst in das Hospital nach
Herbertshöhe gebracht zu werden. Drei Tage-
reisen weit wurde der Kranke in der Hängematte,
zum Teil über hohe Felsen hinweg und durch
breite Flüsse hindurch, getragen. Am vierten Tag
nahm ihn ein Ruderboot auf und brachte ihn